Avraham (Abraham) Gafni, früher Erich Weinreb (1928 – 2022) stammte aus Innsbruck und flüchtete als Kind in der Nazizeit nach Israel
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Holocaust-Überlebender 93-jährig gestorben

Der aus Tirol stammende Avraham Gafni – vormals: Erich Weinreb – ist 93-jährig in Israel verstorben. Der Holocaust-Überlebende war der letzte seiner Generation, der aus Innsbruck vertrieben wurde und in Israel Zuflucht gefunden hatte. 2018 besuchte ihn eine Tiroler Delegation im Zuge einer Gedenkreise.

Weinreb war nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich allein mit seinem jüngerem Bruder nach Israel geflüchtet. Mit im Gepäck hatte er seinen „Totzen“: der Kreisel erinnerte ihn später an seine eigentlich schöne Kindheit in Innsbruck, wie er bei der Gedenkreise vor drei Jahren im ORF-Interview erklärte. Diese Kindheit endete allerdings abrupt 1938 mit dem Beginn des Nazi-Regimes in Österreich

„Plötzlich war ich eine kleine Judensau“, schilderte damals Avraham (Abraham) Gafni, wie Weinreb inzwischen hieß. Es war gegen Ende des Schuljahres. An dem Tag veränderte sich sein Leben von heute auf morgen schlagartig. Ein Lehrer rief die Schüler in der Klasse einzeln auf. Als Weinreb an der Reihe war, beschimpfte ihn der Lehrer als „Judensau“ und verpasste ihm eine brutale Ohrfeige. Von da an wollten beziehungsweise durften seine Freunde auf offener Straße keinen Kontakt mehr mit ihm haben. Nur heimlich durften sie sich noch treffen.

Interview mit Erich Weinreb im Jahr 2018

Im Interview mit dem ORF schilderte Erich Weinreb vor drei Jahren den Beginn der NS-Repressionen

Fast alle Verwandten von den Nazis ermordet

Erich Weinreb, der nach dem frühen Tod seiner Mutter bei den Großeltern im Innsbrucker Stadtteil Pradl aufwuchs, flüchtete 1938 zusammen mit seinem Bruder Leopold. Der Großvater organisierte die Flucht für die beiden, die sechsjährige Schwester war noch zu klein dafür. Mit Schiffen ging es für die zwei Buben nach Israel, wo sie bei einer Familie ein neues Zuhause fanden. Seither hieß er Avraham Gafni.

Fast alle Angehörigen Weinrebs wurden von den Nazis ermordet. Schon bald nach der Ankunft in Israel erfuhr er vom Tod der Verwandten. Wie sie umkamen, wurde erst Jahrzehnte später bekannt. Seine Großeltern und die Schwester wurden mit dem Zug nach Riga transportiert und dort erschossen.

Wie das Land Tirol am Dienstag mitteilte, starb Weinreb im Alter von 93 Jahren in seiner neuen Heimat. Seine besten Freunde hatte er trotzdem in Innsbruck, wohin er immer wieder gerne zurückkehrte. „I bin und bleib a Tiroler Bua“, bekräftigte er vor drei Jahren im ORF-Interview.

Tiroler Delegation mit Vertretern der Landesregierung anlässlich der Gedenkreise nach Israel 2018 – mit Treffen mit Holocaust-Überlebenden
Land Tirol/Kurzthaler
Im Zuge einer Gedenkreise war eine Tiroler Delegation 2018 in Israel und traf dabei auch mit Erich Weinreb zusammen

Gedenken in Tirol an den Verstorbenen

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zeigte sich betroffen über den Tod des Holocaust-Überlebenden aus Innsbruck. Die Begegnung mit Weinreb bei der Tiroler Gedenkreise nach Israel war „eine der eindrücklichsten in meinem Leben. Als er uns damals geschildert hat, wie er und seine Familie nach den gewalttätigen Ausschreitungen der Nazis bei den Novemberpogromen aus Innsbruck vertrieben wurden, welches Leid ihm widerfahren ist, wie er von seiner Familie getrennt wurde, all das berührt mich auch heute noch emotional sehr“, so Platter in einer Stellungnahme zum Tod Weinrebs. Es sei „unsere Aufgabe und Verantwortung zugleich, seine Geschichte und die dahinterstehende Botschaft weiterleben zu lassen, damit sich ein derartiges Nazi-Unrecht gegen die jüdische Bevölkerung nie mehr wiederholt!“

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck, Günter Lieder, bezeichnete Weinreb beziehungsweise Gafni in seinen Gedenkworten als „Stehaufmännchen“. Er habe nach der Flucht aus Österreich in Israel eine neue Heimat und ein neues Leben gefunden, „dabei aber seine alte Heimat, Tirol, Innsbruck, Pradl, immer geliebt“. Man werde dem Verstorbenen ein freundschaftliches und ehrendes Andenken bewahren, so der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, der bei der Gedenkreise vor drei Jahren ebenfalls dabei war.