Kind Hand Krankenhaus
pingpao – stock.adobe.com
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Chronik

125 Jahre Kinderklinik Innsbruck

Die Innsbrucker Universitätskliniken für Pädiatrie feiern ihr 125-jähriges Jubiläum. Mit einer eigens gestalteten Festschrift blickt das multidisziplinäre Team am Department für Kinder- und Jugendheilkunde auf eine rasante Entwicklung zurück.

Das heutige Department für Kinder- und Jugendheilkunde besteht aus drei Universitätskliniken, die das gesamte Fach abdecken und sowohl in der Krankenversorgung, als auch in der Forschung und Lehre sehr aktiv sind. „Wir feiern heuer 125 Jahre erfolgreiche Besetzung des ersten Extraordinariats für Pädiatrie in Innsbruck und haben dies zum Anlass genommen, einen Blick zurückzuwerfen“, erklärten die LeiterInnen Thomas Müller, Ursula Kiechl-Kohlendorfer und Ralf Geiger.

Ausführliche Festschrift zum Jubiläum

In einer Festschrift wird die bisherige Entwicklung der Kinderklinik beleuchtet. „Die Festschrift entspricht, ausgenommen des historischen Einführungskapitels, keiner streng geschichtswissenschaftlichen Abhandlung im engeren Sinn, spiegelt aber die Vielfalt der Kinderklinik bis in die Gegenwart wider“, schreiben Müller, Kiechl-Kohlendorfer und Geiger in ihrem Vorwort. Eine geplante Jubiläumsveranstaltung konnte pandemiebedingt bisher noch nicht stattfinden.

Die Leiterinnen und Leiter der Innsbrucker Kinderklinik: Christian Lechner, Daniela Karall, Sabine Scholl-Bürgi, Thomas Müller
MUI/Bullock
V.l.n.r. Christian Lechner, Daniela Karall, Sabine Scholl-Bürgi, Thomas Müller präsentieren die Festschrift

Aufbauarbeit: Die erste Kinderklinik in Innsbruck entsteht

Im 19. Jahrhundert erlebte die Medizin eine Blütezeit und entwickelte sich hin zu einem modernen Verständnis von Gesundheit und Krankheit. Damit verbunden war unter anderem die Entwicklung eigenständiger Disziplinen, dazu zählte auch die Kinder- und Jugendheilkunde. Das erste Kinderspital in Österreich wurde 1837 mit zwölf Betten in Wien gegründet.

Johann Loos, erster Extraordinarius und Ordinarius für Pädiatrie in Innbruck
Universitätsarchiv Innsbruck
Der Kinderarzt Johann Loos

Auch in Innsbruck gab es Bestrebungen, eine eigene Lehrkanzel für Kinder- und Jugendheilkunde einzurichten. Mit 1. Jänner 1896 wurde schließlich Johann Loos, der in Graz studiert und dort eine anschließende pädiatrische Ausbildung absolviert hatte, zunächst vorläufig zum ersten Extraordinarius für Pädiatrie berufen. Im Dezember erfolgte seine definitive Bestellung. Loos errichtete die erste Kinderstation in Innsbruck. Diese verfügte damals über ein kleines Operationszimmer, ein Isolierzimmer, drei Arbeitsräume und 26 Betten in zwei Krankenzimmern.

Das Kaiserpaar Ferdinand und Maria 
Anna besucht am 10. März 1840 die Innsbrucker Kinderklinik – Aquarell von Rudolf von 
Alt, aus Lesky, Meilensteine 1981.
Festschrift Kinderklinik Innsbruck
Besuch des Kaiserpaares Ferdinand und Maria Anna im März 1840 in Wien auf einem Aquarell von Rudolf von Alt

Berufsbilder im Wandel

1898 begann der Bau einer eigenen Kinderklinik als fünfter Klinikpavillon, am 24. Juni 1901 erfolgte die feierliche Eröffnung. Für seine Aufbauarbeit wurde Loos im Mai 1911 zum Ordinarius für Pädiatrie ernannt. Mit dem Ausbau begann auch ein starker Wandel in den Berufsbildern, das zeigt sich zum Beispiel im Bereich der Pflege.

Während Ende des 19. Jahrhunderts die Pflege noch von sogenannten „Wärterinnen“, also überwiegend Frauen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, oder Ordensschwestern übernommen wurde, erfolgte im 20. Jahrhundert eine zunehmende Professionalisierung. 1919 startete der erste Ausbildungslehrgang an der neu gegründeten Krankenpflegeschule in Innsbruck.

Studierende und eine junge Patientin der Innsbrucker Kinderklinik
Archiv der Kinderklinik Innsbruck
Medizinstudenten beobachten aufmerksam das Gespräch mit einer jungen Patientin

Die Kinderklinik heute

In der Folge kam es zu einer stetigen Ausdifferenzierung des Fachs. Anfang der 2000er Jahre bestand die Pädiatrie bereits aus fünf verschiedenen Abteilungen, danach erfolgte eine Umstrukturierung zu den jetzt drei Pädiatrien. Insgesamt sind an der Kinderklinik, die über 103 Betten verfügt, aktuell 514 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, darunter 110 Ärztinnen und Ärzte, 295 Pflegekräfte sowie 71 Angehörige weiterer Berufsgruppen (Diätologie, Sozialarbeit etc.) und 38 Menschen in der Administration.

Erfolge in Wissenschaft und Lehre

In den vergangenen 125 Jahren hat die Kinderklinik Innsbruck zahlreiche Erfolge verzeichnet, unter anderem im Bereich der Seltenen Krankheiten. Im Molekulargenetischen Forschungslabor konnte 2008 erstmals die genetische Ursache einer angeborenen Durchfallerkrankung aufgeklärt werden.

Frühchen auf der Station
tirol kliniken/Seiwald
Die Behandlung von zu früh geborenen Kindern soll weiter verbessert werden

Forschung: Frühchen und gedruckte Zellen

Mittlerweile wurden in enger, interdisziplinärer Zusammenarbeit am Medizinstandort Innsbruck rund 40 monogene Krankheiten beschrieben. Mehrere Arbeitsgruppen forschen zudem daran, die Versorgung und Förderung von Frühgeborenen zu optimieren. In gemeinsamen Studienprojekten aller Kinderkliniken werden zum Beispiel Auswirkungen des Lebensstils im Jugendalter auf das Herzkreislaufsystem erforscht.

Im Rahmen des Molekularbiologischen Labors der Kinderklinik wurde 2018 auch das erste 3D-Biodrucklabor in Österreich gegründet, das lebendes Gewebe aus menschlichen Zellen herstellt. Darüber hinaus zählt die Pädiatrie zu den beliebtesten Fachrichtungen unter Medizinstudierenden.

Kinderklinik Innsbruck
ORF
Ein neues Archiv soll die Geschichte der Innsbrucker Kinderklinik festhalten

Aufbau eines Archivs

Die genauen Abläufe an der Kinderklinik im Laufe des 20. Jahrhunderts und besonderes während des Zweiten Weltkriegs sind derzeit noch ein Forschungsziel. Im Zuge der Entstehung der Festschrift konnte an der Kinderklinik allerdings ein Archiv eingerichtet werden. „Damit wurde ein Grundstein für die weitere geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Pädiatrie in Innsbruck gelegt“, erklärte der Kinderarzt und Historiker Christian Lechner.