Abwerzger, Sint, Fleischanderl, Oberhofer
Tiroler SPÖ
Tiroler SPÖ
Soziales

Jugendprojekt „Netz“ soll geprüft werden

Die Tiroler Opposition hat den Landesrechnungshof mit einer Sonderprüfung über die Leistungsverträge des Landes mit dem Jugend-Projekt „Netz“ beauftragt. Es soll aufgeklärt werden, wie Millionen an Steuergeld seit 2013 eingesetzt wurden. Landesrätin Gabriele Fischer (Grüne) begrüßte die Prüfung.

Das „Netz“ bietet betreutes Wohnen und ambulante Betreuung für Jugendliche an. Allein zwischen 2018 und 2020 flossen 6,2 Mio. Euro in das Projekt. Die Verträge seien bereits im Oktober gekündigt worden, wie die grüne Soziallandesrätin Gabriele Fischer in einer Aussendung kurz vor einer Pressekonferenz der Oppositionsparteien betonte. Nachdem Anfang des Jahres „fachliche sowie wirtschaftliche Unregelmäßigkeiten“ vom Betriebsrat aufgezeigt worden waren, sei umgehend eine Überprüfung der Einrichtung eingeleitet worden.

Die Überprüfung der wirtschaftlichen Mängel war im Oktober abgeschlossen. Weil trotz mehrmaliger Fristsetzung an den Geschäftsführer die Mängel aber nicht vollständig aufgeklärt werden konnten, habe sich die schwarz-grüne Landesregierung dazu entschieden, den Vertrag zu kündigen. Im September seien zudem die Qualitätsstandards im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe erweitert worden, so Fischer. Regelmäßige Kontrollen sollen weiter stattfinden.

Opposition sieht „Flucht nach vorne“

Die Opposition sah die Sache naturgemäß anders. „Absurd“ sei es, fand LAbg. Markus Sint von der Liste Fritz, dass die Landesrätin die Sonderprüfung kurz vor der Pressekonferenz begrüße, denn: „Kontrolle, Aufsicht und Qualitätssicherung wären eigentlich ihre Aufgaben“. Damit trete sie „die Flucht nach vorne an“, war Sint der Meinung. Nicht Fischer, sondern ein ehemaliger Betriebsrat habe die Missstände aufgedeckt.

Noch im November 2020 habe das Land die Leistungsvereinbarungsverträge auf vier Jahre bis Ende 2024 verlängert. Vor 2019 habe zudem überhaupt keine schriftliche Vereinbarung existiert. „Dass die Frau Landesrätin jetzt plötzlich draufkommt, dass schwerwiegende Fehler vorliegen, ist unglaubwürdig“, befand Sint. Das Land habe versagt.

Jugendliche mit Schultaschen
ORF
Das „Netz“ bietet betreute Wohnplätze für Tiroler Jugendliche

LAbg. Elisabeth Fleischanderl (SPÖ) führte das „undurchsichtige Konstrukt“ der Leistungsträger ins Treffen und bemängelte, dass es teilweise keine aufrechten Dienstverträge gab und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilweise nicht nach dem SWÖ (Sozialwirtschaft Österreich) Kollektivvertrag bezahlt worden seien. Der Hauptkritikpunkt betreffe aber die Unternehmensform von „Netz“, so Fleischanderl: „Es ist nicht üblich, als gewinnorientiertes Einzelunternehmen im Sozialbereich zu agieren. Noch dazu wurde ‚Netz‘ mit öffentlichen Geldern finanziert“.

Kontrolle und Transparenz gefordert

NEOS-Klubchef und LAbg. Dominik Oberhofer schlug in dieselbe Kerbe und betonte zudem „als Wirtschaftsliberaler“, dass Institutionen, die die Jugendhilfe betreffen von der öffentlichen Hand geführt und nicht an private Unternehmen „ausgelagert“ werden sollten. „Es sind Summen, die kontrolliert gehören“, unterstrich Oberhofer, pro Kind stünden bis zu 200 Euro pro Tag zur Verfügung. Es müsse geklärt werden, ob diese Summen wirklich den Jugendlichen zugute kommen, oder „intransparente Strukturen finanziert werden“.

Nun gelte es zu klären, wohin die Millionen flossen, forderte die FPÖ. „Das Land hat komplett versagt“, fand Landesparteiobmann Markus Abwerzger. „Zwischen Dezember 2017 und September 2020 verstarben fünf Jugendliche, die vom Verein ‚Netz‘ betreut wurden, an einer Drogen-Überdosis“. Eine „mangelhafte Betreuung der Jugendlichen“ stehe im Raum. Es gebe zu wenig Plätze und zu wenig Personal. Die Beschäftigten seien unterbezahlt und "zu jung. „Die Mitarbeiter werden verheizt“, urteilte der blaue Politiker.

Dass die Verträge im Oktober gekündigt wurden, mache eine Sonderprüfung durch den Landesrechnungshof nicht obsolet – im Gegenteil. „Die Kündigung der Verträge ist ja eigentlich ein Schuldeingeständnis des Landes“. Ihn interessiere es „brennend, was in der Vergangenheit vorgefallen ist“. Nach einer „Fehleranalyse“ könne man es in Zukunft „besser machen“, glaubte Abwerzger.

Betreuung seit über 20 Jahren

Das „Netz“ betreut seit 1999 Jugendliche ab 15 Jahren, die aufgrund persönlicher oder familiärer Probleme weder im Rahmen ihrer Familie noch von den bestehenden stationären Einrichtungen betreut werden können. Laut Abwerzger wurden zuletzt 14 Wohnplätze angeboten und 40 Jugendliche betreut, die großteils eine Suchtgiftproblematik aufwiesen, wie er sagte.