Alpenrosen-Schmetterling
Peter Huemer
Peter Huemer
Wissenschaft

Neuer Alpenrosen-Schmetterling entdeckt

Forscher der Tiroler Landesmuseen fanden in Zusammenarbeit mit Schweizer Kollegen den bislang unbekannten Alpenrosen-Minierfalter im Schweizer Engadin. Dass die Schmetterlingsart in den Alpen vorkommt, war bis dahin unbekannt.

Die Entdeckung des Alpenrosen-Minierfalters ist nicht die Folge einer gezielten Suche, sondern ein reiner Glücksfall. Da Alpenrosen für Schmetterlingsraupen als unattraktiv galten und bisher aus dem gesamten Alpenraum kein Spezialist an dieser Pflanze bekannt war, galten sie auch für die Schmetterlingsforscher als uninteressant. Als Konsequenz wurde die Pflanze von ForscherInnen bis heute weitgehend ignoriert.

Alpenrosen
Ingrid Huemer

Glücksfund bei Pause

Im Rahmen einer Erhebung von Schmetterlingen in Ardez im Engadin am 29. Juli 2021 wurde in einer bewölkten Phase neben einem Alpenrosenbusch eine Pause eingelegt. Die rein zufällige Sichtung der ersten Raupe in einem Alpenrosenblatt sei ein absoluter Adrenalinstoß gewesen, weil sofort klar war, dass es sich hier um eine außergewöhnliche Art handeln müsse, erklärt Peter Huemer, Schmetterlingsforscher und Leiter des Bereichs Naturwissenschaften der Tiroler Landesmuseen. Die erweiterte Suche in den folgenden zwei Wochen erbrachte Hinweise auf eine stabile Population eines vorerst völlig unbekannten Schmetterlings.

Alpenrosen-Minierfalter am Blatt
Peter Huemer
Bislang unbekannter Alpenrosen-Schmetterling

Der Falter lebt im giftigen Blatt

Der Alpenrosen-Minierfalter bohrt sich gleich nach dem Schlüpfen der Raupe durch die obere Blatthaut der hochgradig giftigen Rostroten Alpenrose in das Blattinnere. Die Raupe verbringt dann ihr gesamtes Leben bis zur Verpuppung zwischen den unversehrten Blatthäuten und frisst das Blattgrün. Durch diese Verhaltensweise ist die Raupe vor schlechter Witterung ebenso gut geschützt wie vor vielen Fressfeinden wie etwa Vögeln, Spinnen oder anderen Insekten. Zur Verpuppung verlässt die Raupe das Alpenrosenblatt und fertigt ein typisches Gespinst, eine Art Hängematte, so die Forscher.

Blatt mit brauenm Rand
Peter Huemer
Leben der Raupe im Blattinneren

Relikt aus der Eiszeit

Im Labor gelang nach etwa zehn Tagen die erfolgreiche Zucht zum Falter, mit einem frappierenden Ergebnis: Die Falter gehörten völlig überraschend zu einer in Nordeuropa, Nordasien und Nordamerika weit verbreiteten Art, dem Sumpfporst-Minierfalter (Lyonetia ledi). Die Engadiner Population ist jedoch mehr als 400 Kilometer von den nächsten bekannten Fundorten entfernt. Weiteres lebt der Sumpfporst-Minierfalter im nördlichen Europa ausschließlich am Sumpfporst und dem Gagelstrauch. Diese zwei typischen Sträucher von Hochmooren fehlen aber in den Alpen. Allerdings teilten sich der Sumpfporst und die Alpenrose in früheren Kältephasen im Alpenvorrand den Lebensraum. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat hier nach der letzten Kaltzeit und dem Abschmelzen der Gletscher ein Übergang der Raupe von Sumpfporst auf die Alpenrose stattgefunden. Die in nachfolgenden Wärmephasen verursachte Auftrennung der Areale beider Pflanzen führte zwangsläufig auch zur Trennung der Falterpopulationen.

Alpenrosen-Schmetterling
Peter Huemer

Alpenrosen-Schmetterling auch in Tirol möglich

Der Alpenrosen-Minierfalter ist bisher mit Sicherheit nur aus dem Unterengadin bekannt. Der Lebensraum ist ein steiler, nordexponierter, Fichten-Lärchen-und Zirbenwald in etwa 1.800 Metern Seehöhe. Die hohe Schneelage im Winter und die Schattenlage im Sommer führen dazu, dass die Alpenrosen hier nicht zur Blüte gelangen. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Art bei intensiver Nachsuche auch an ähnlichen Stellen in den Nordalpen noch entdeckt werden kann, so auch in Tirol und Vorarlberg. Die kleinklimatische Sondersituation des Schweizer Standortes lasse aber nicht erwarten, dass diese trotz 250 Jahren Schmetterlingsforschung bisher übersehene Art weit verbreitet ist. Im Gegenteil: Es stehe zu befürchten, dass sie eines der ersten Opfer des Klimawandels sein könnte, so die Forscher.