Ortsschild Ischgl
APA/EXPA/Jakob Gruber
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Coronavirus

Keine Anklage in Causa Ischgl

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat am Mittwoch bekanntgegeben, dass die strafrechtlichen Ermittlungen in der Causa Ischgl eingestellt wurden. Es kommt damit zu keiner Anklage. Es gebe keine Beweise für ein schuldhaftes Verhalten, so die Staatsanwaltschaft.

Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Hansjörg Mayr, kam die Ermittlungsbehörde bereits Ende Mai zu diesem Ergebnis. Dieses wurde inzwischen durch Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, Justizministerium und Weisungsrat überprüft.

Es gebe „keine Beweise dafür, dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte.“ Näher geprüft wurden laut Staatsanwaltschaft insbesondere „die Maßnahmen nach Bekanntwerden der ersten Infektionsfälle, die Erlassung und Umsetzung von Verordnungen über Schließung von Lokalen, des Skibetriebes und die weiteren Verkehrsbeschränkungen in Ischgl bzw die Quarantäne im Paznauntal“.

Überstürzte Ausreise aus Ischgl wegen Coronavirus
ORF
Mit der abrupten Beendigung der Skisaison in Ischgl zu Beginn der Pandemie kam es zur chaotischen Abreise vieler Urlauber

Ischgler Ortschef und Landesamtsdirektor erleichtert

Der Ischgler Bürgermeister Werner Kurz zeigte sich über die Einstellung der Ermittlungen erleichtert. „Die Vorwürfe, die im sogenannten Rohrer-Bericht gegen mich erhoben wurden, stellten sich als nicht richtig heraus. Die Staatsanwaltschaft stellt eindeutig fest, dass es keine Beweise dafür gibt, dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte.“ Er sei dankbar, dass diese Belastung nun vorbei sei und er wieder Aufgabe als Bürgermeister nachgehen könne, so Kurz.

Apres-Ski werde es in Ischgl weiterhin geben, so Kurz am Mittwochabend im Tirol heute Gespräch. Die Wirte werden 2G Kontrollen durchführen, sollten weitere gewerberechtliche Maßnahmen erforderlich sein, müssten diese von den Behörden kommen, so Kurz. Durch viele Maßnahmen bei den Seilbahnen, in der Hotelerie und Gastronomie sei die Sicherheit gewährleistet. Ischgl habe „seinen Part“ erfüllt. Dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen eingestellt wurden, nehme man glücklich und froh zur Kenntnis. Diese Phase sei jetzt beendet, so der Bürgermeister im Gespräch.

Erleichterung auch auf Landesebene

Auch der oberste Landesbeamte, Landesamtsdirektor Herbert Forster, sah sich nach der Einstellung der Ermittlungen gegen seine Person bestätigt. „Der Vorwurf, hier mit der Gesundheit von Menschen unter Umständen fahrlässig umgegangen zu sein, der wiegt in meiner Welt sehr schwer. Und insofern war das eine ernsthafte Situation und umso größer ist jetzt die Erleichterung“, so Forster im ORF-Interview.

Beim Land Tirol hieß es, man sei froh, dass die Vorwürfe aufgeklärt und alle Ermittlungen eingestellt wurden. Das Land habe „immer betont, volles Vertrauen in die Ermittlungsbehörden und in die Justiz zu haben“. Die Ermittlungen der Justiz seien „bestmöglich unterstützt“ worden und man habe „großes Interesse bekundet, alle Entwicklungen nochmals zu evaluieren und auf den Prüfstand zu stellen“, hieß es.

Abwerzger: Mit Opferfamilien in Dialog treten

Tirols FPÖ-Obmann Markus Abwerzger sah keinen moralischen Freispruch für Behörden und Land Tirol in der Causa Ischgl. „Ich habe immer gesagt, strafrechtlich wird eher nichts hängen bleiben. Zu 90 Prozent war Ischgl nämlich ein Kommunikationsdesaster.“ Es brauche faire Entschädigungen für die Opfer und Angehörigen, die aufgrund des Nichtagierens der Behörden Schaden erlitten hätten. Man müsse mit den Opferfamilien und den Opfern in den Dialog treten, nicht vor Gericht ziehen, so Abwerzger.

Ermittlungen gegen fünf Beschuldigte

Das Ermittlungsverfahren wurde zunächst gegen vier Personen geführt, später kam ein weiterer Beschuldigter dazu – mehr dazu in Vier Beschuldigte in Causa Ischgl und Ischgl: Landesamtsdirektor offenbar auch Beschuldigter.

Der Ermittlungsakt umfasst 15.000 Seiten Protokolle, Berichte und sonstiges Beweismaterial. Um die Abläufe nachvollziehen und bewerten zu können, wurden 27 Personen durch die Staatsanwaltschaft vernommen. Auch die Erkenntnisse der vom Land Tirol eingesetzten Expertenkommission seien berücksichtigt worden. Die ermittelnde Staatsanwältin wurde dabei von einem weiteren Staatsanwalt unterstützt.

VSV will Fortführung der Ermittlungen

Der Verbraucherschutzverein (VSV), der eine Reihe von privatrechtlichen Klagen in der Causa Ischgl unterstützt, kritisierte am Mittwoch umgehend die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Innsbruck. VSV-Obmann Peter Kolba kündigte gleichzeitig einen Fortführungsantrag an: „Wir halten diese Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für falsch.“

Der VSV beanstandete, dass sich die bisherigen Ermittlungen nur auf mögliche Fehler auf Tiroler Ebene konzentriert hätten „und auch bisher nur unter Ausklammerung von Landeshauptmann (Günther, ÖVP, Anm.) Platter“. Mögliche Fehler der Bundesregierung seien dagegen überhaupt nicht berücksichtigt worden. „Es wäre daher sinnvoll gewesen, die Ermittlungen auch auf Ex-Bundeskanzler (Sebastian, ÖVP, Anm.) Kurz, Ex-Gesundheitsminister (Rudolf, Grüne, Anm.) Anschober, Innenminister (Karl, ÖVP, Anm.) Nehammer und die in diesen Ministerien jeweils verantwortlichen Beamten sowie Landeshauptmann Platter auszudehnen“, so Kolba.

Gerade zu der überstürzten und chaotischen Abreise Tausender Gäste am 13. März 2020, die durch die Quarantäneankündigung für Ischgl durch den „dafür unzuständigen Ex-Bundeskanzler Kurz ausgelöst wurde und Tausende Infektionen verursachte“, gebe es kaum schriftliche Unterlagen. Zu den „Umständen, wie es zu diesem Abreisechaos kam“, müssten laut Kolba deshalb die damaligen Mitglieder der Bundesregierung unter Wahrheitspflicht als Zeugen befragt werden.