Barbara Friesenecker
MED UNI
MED UNI
Coronavirus

„Ungeimpfte sind größtes Risikopotential“

Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker von der MedUni Innsbruck hat im ORF-Interview Ungeimpfte als das größte Risikopotential für das Gesundheitssystem bezeichnet. Sich impfen zu lassen, bezeichnete sie als Akt der Solidarität – das Personal sei am Ende seiner Kräfte.

Tirol laufe derzeit in eine massive Bettenknappheit. In einigen Tiroler Krankenhäusern seien die Intensivstationen mittlerweile komplett belegt, schildert Barbara Friesenecker. In der Innsbrucker Klinik seien noch Betten frei und man schaffe zusätzliche Kapazitäten. Dies schaffe man, in dem man damit beginne, Operationen abzusagen und Intensivbetten für Coronapatienten umzuwidmen. Noch könne man die Patienten gut versorgen. Jeder Patient erhalte die Behandlung, die er brauche.

„Wenn die Zahlen weiter steigen, werden wir wieder sehr nahe in die Situation kommen, warum wir im März 2020 die Richtlinien entwickelt haben, um zu entscheiden, wie man die Ressourcen zuteilt. Wer bekommt das Bett? Wer bekommt die Beatmung? Wer bekommt die Herz-Lungen-Maschine?“ Diese Ressourcen seien dann nicht mehr für jeden verfügbar, dies zu entscheiden, sei für die Mediziner emotional hochgradig aufwendig und auch schwierig, sagt Friesenecker.

Triage: Überlebenschance entscheidet über Versorgung

Bei der Triage gehe es darum, zu entscheiden, wer welche medizinische Versorgung unter Ressourcenknappheit erhält. Das seien die Patienten, die die besten Überlebenschancen haben, so Friesenecker. Damit würden die Patienten, die zwar eine Überlebenschance hätten, aber möglicherweise an Langzeitschäden leiden, diese Betten in den Intensivstationen im Fall einer Triage nicht bekommen.

Bei „Triage light“ sortiere man vielleicht kritischer als sonst aus, und man überlege auch, ob bei Patienten Operationen eventuell verschoben werden müssten. In Salzburg sei es beispielsweise der Fall gewesen, dass eine Patientin an einem Herzinfarkt gestorben sei, weil sie auf der Warteliste nach hinten gerückt worden war. Ihr Bett sei für einen Covid-Patienten gebraucht worden, daher sei ihre zunächst geplante Operation verschoben worden, schildert die Intensivmedizinerin einen Fall.

Keine Touristen bei vollen Intensivbetten

„Ein Lockdown ist vermeidbar, wenn FFP2-Masken konsequent getragen werden, wenn die Abstandsregeln eingehalten werden und wenn die Hygieneregeln eingehalten werden. Ungeimpfte Personen gehören streng isoliert, die haben in Massenansammlungen von Menschen nichts verloren. Wir müssen Abendveranstaltungen in Innenräumen vermeiden und wenn unsere Intensivstationen schon voll sind, sollen auch keine Touristen mit dem Gefährdungspotential auch krank zu werden oder sich zu verletzen in unser Land gelassen werden.“

Barbara Friesenecker
MED UNI
Intensivmedizinerin Barbara Friesenecker sieht Ungeimpfte als größtes Risikopotential für Gesundheitssystem

Das seien unpopuläre Punkte, die jedoch dringend nötig seien, um das Gesundheitssystem und auch das medizinische Personal vor der drohenden Belastung zu schützen. Das Personal sei durch die maximale Belastung der Arbeitssituation nach fast zwei Jahren am Rande der Kräfte. In Schutzkleidung über viele Stunden zu arbeiten, sei emotional und körperlich anstrengend. Das Personal mache aber weiter, um Geimpfte und Ungeimpfte bestmöglich zu versorgen.

Mehr Freiheitsbeschränkungen für Ungeimpfte

Treffen beispielswiese an Christkindlmärkten seien besser als in Innenräumen. Allerdings sei das schwer kontrollierbar. Und man wisse mittlerweile, dass auch geimpfte Personen Viren übertragen können, so Friesenecker. Daher müssten die Regeln gut eingehalten werden, wolle man den Lockdown vermeiden. Sie finde es fair und wichtig, dass ungeimpfte Personen mehr Freiheitsbeschränkungen hätten als geimpfte Personen, betont die Intensivmedizinerin im Gespräch mit dem ORF.

„Ungeimpfte Personen sind das höchste Risikopotential für das Gesundheitssystem, das wir derzeit haben,“ sagt Friesenecker.

„Impfen ist Akt der Solidarität“

Aus ihrer Sicht wäre es ein Akt der Solidarität, dass sich die Menschen impfen lassen. Derzeit seien 22 Intensivpatienten auf ihrer Station, davon seien vier geimpft, alle anderen nicht geimpft. „Ein Großteil dieser Nichtgeimpften ist jetzt schwerst krank und würde nicht auf der Intensivstation liegen, wären sie geimpft. Dass sich Menschen impfen lassen sollen, ist etwas, was man einfordern kann zur Entlastung von uns allen.“