Seeber wurde vorgeworfen, zwischen 2006 und 2010 Scheinrechnungen eines externen Beraters und dessen Tochter in Höhe von rund 400.000 gestellt zu haben. Richter Andreas Mair erklärte in seiner Urteilsbegründung: „Es ist kein Freispruch ohne Zweifel“, sondern einer, der „vieles offen lässt“.
Viele „hinterfragenswürdige Vorgänge“
Aber Angeklagte müssen sich nicht „freibeweisen“, erinnerte der Vorsitzende des Schöffensenats. Es gebe viele Vorgänge, die „hinterfragenswürdig“ seien. Für das Gericht sei es kein ausreichender Beweis gewesen, dass etwa die gestellten Rechnungen zum Teil gleichlautend waren. Außerdem habe es zwischen den Mitarbeiterinnen, die Seeber angezeigt hatten, eine „Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses“ gegeben, stellte der Senat fest. Seeber habe gut dargelegt, warum er einen Berater gebraucht habe und sich nicht auf seine Assistentinnen und Assistenten verlassen konnte.
Richter: „Ein etwas schaler Nachgeschmack“
Der zweitangeklagte Berater, ein 65-jähriger Rumäne, wurde ebenfalls im Zweifel freigesprochen. Dieser habe sich in seiner Vernehmung noch an einzelne Berichte erinnern können, die er erstellt hatte. „Man hatte nicht den Eindruck, dass er mit etwas konfrontiert wird, von dem er noch nie was gehört hat“, sagte der Richter. Gegen Seeber sprachen die Mutmaßungen der Assistenten, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Mair fasste am Ende der Urteilsbegründung zusammen: „Ein etwas schaler Nachgeschmack, der aber nicht zu Lasten des Angeklagten gehen kann“. Der Oberstaatsanwalt sowie der Privatbeteiligtenvertreter gaben keine Erklärung ab.
Der letzte Prozesstag
Seeber beklagte zuvor in seinem abschließenden emotionalen Statement – bei dem er seine Unschuld beteuerte – dass seit Auftauchen der ersten Vorwürfe mittlerweile acht Jahre vergangen seien. Er habe sich zu Beginn noch um eine schnelle Aufhebung seiner Immunität bemüht, dass die Geschichte schnell erledigt werden könne. Er meinte: „Ich bin kein perfekter Mensch, ich bin kein perfekter Chef“. Zudem bemängelte er, dass die Staatsanwaltschaft Entlastendes nicht berücksichtigt habe.
Keine Unterlagen zu Beratungstätigkeit gefunden
Für Oberstaatsanwalt Wolfgang Handler war die Schuld der beiden klar, er plädierte daher für Schuldsprüche im Sinne der Anklage. Er betonte mehrmals, dass schlicht und ergreifend keine Unterlagen zur Beratungstätigkeit gefunden wurden, auch die Assistenten Seebers hätten nichts mitbekommen: „Es gibt kein Fuzzerl Papier, keine E-Mail“. Das sah auch der Staatsanwalt so, der die EU als Privatbeteiligte vertritt. In seiner Laufbahn als Staatsanwalt habe Handler noch nie erlebt, dass bei einer Hausdurchsuchung gar nichts gefunden wurde.
Rechnungen für Staatsanwalt nicht glaubwürdig
Für den Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt waren weiterhin die Rechnungen des Zweitangeklagten aus Rumänien nicht glaubwürdig. Einerseits seien die abgerechneten Stunden nicht schlüssig – etwa sollen in drei Monaten komplett dieselbe Anzahl an Stunden gearbeitet worden sein, andererseits zog er das umfangreiche Wissen des 65-Jährigen technischen Chemikers in Zweifel, der im Tourismusbereich arbeitete. Von Chemie, Biologie über Patientenrechte und Holzverarbeitung soll die Expertise gereicht haben.
Debatte um Zuständigkeit
Nachdem der Zweitangeklagte seine angebliche Tätigkeit für Seeber beendet hatte, soll dessen Tochter für den EU-Abg. gearbeitet haben. Trotz mangelnder Deutschkenntnisse habe sie laut Rechnungen Sprechvorlagen und Presseaussendungen vorbereitet, sagte Handler. Indes entspann sich bei den Plädoyers eine juristische Diskussion darüber, ob die vorgeworfenen Tatbestände in Österreich überhaupt entschieden werden können, nachdem die mutmaßlichen Taten in Belgien passierten. Der öffentliche Ankläger vertrat die Ansicht, dass dies sehr wohl gehe, da Seeber Österreicher sei und der Zweitangeklagte ein Konto in Österreich besitze – der „Erfolgsort“ sei daher im Inland. Aus diesem Grund sei die Tochter des Rumänen nicht angeklagt. Der Verteidiger des Zweitangeklagten, Hans Kristoferitsch, nützte sein Plädoyer, um unter anderem gegen die Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit zu argumentieren. Der Zweitangeklagte selbst meinte, dass er auf die „Weisheit des Gerichts“ vertraue.
Anwalt beantragte Freispruch
Seebers Verteidiger Markus Orgler, der einen Freispruch beantragte, attestierte dem Staatsanwalt, dass er „nicht weiß, wie es im Europäischen Parlament zugeht“. Man müsse Allianzen bilden, begründete er die Zusammenarbeit mit dem Rumänen. Er stellte außerdem in den Raum, dass es „vielleicht einen Grund dafür gab“, dass Seeber seine Assistentinnen die Expertise des Beraters nicht zukommen habe lassen, er habe dies auch nicht müssen.
Orgler verteidigte die Gagen des Beraters – die zum Teil 10.000 Euro monatlich ausgemacht haben – damit, dass ja auch Betriebsausgaben geleistet werden müssen. Der Stundenlohn von 90 Euro würde „fast in die Kategorie ‚geschenkt‘ fallen“, meinte der Anwalt. Er führte zudem ein fehlendes Motiv Seebers ins Treffen und fragte: „Wo ist der Kickback?“ – in der Wirklichkeit gebe es nur wenige Altruisten.
Assistentinnen wussten nichts von Expertise
Die beiden Assistentinnen gaben zuvor an, nichts von der Expertise des 65-Jährigen mitbekommen zu haben. Zwar kennen sie den Mann vom Namen her und wussten auch, dass der 59-jährige Seeber und der 65-Jährige zum Teil mehrmals die Woche miteinander telefoniert hatten. Berichte oder Ergebnisse der Expertise des angeblichen Beraters hätten die beiden aber nie zu Gesicht bekommen.
Die Staatsanwaltschaft hegte den Verdacht, dass Seeber, der von 2004 bis 2014 im EU-Parlament war, dem Rumänen und seiner Tochter ohne Leistung das Geld überwiesen hatte.