Hände tippen auf der Tastatur eines Laptops
ORF.at/Zita Klimek
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Technik & IT

Die dunkle Seite des „Darknet“

Auch Tiroler Kriminelle wickeln im „Darknet“, einem versteckten Teil des Internets, illegale Geschäfte ab. Immer wieder werden online bestellte Drogen in Österreich beschlagnahmt. Am Mittwoch steht ein mutmaßlicher Drogendealer deshalb in Innsbruck vor Gericht.

Dem 25-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, dass er zwei Jahre lang Drogen über das Internet erworben und sie dann teilweise weiterverkauft haben soll. Unter anderem sind 3,5 Kilogramm Speed, Ecstasy-Tabletten und Cannabisprodukte bei dem jungen Mann sichergestellt worden. Der Beschuldigte dürfte die Suchtmittel über das sogenannte „Darknet“ bestellt haben, hieß es.

Professor Rainer Böhme vom Institut für Informatik der Universität Innsbruck
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Rainer Böhme arbeitet und forscht am Institut für Informatik der Universität Innsbruck

Surfen ohne digitale Fußspuren

Das „Darknet“ steht für eine möglichst hohe Anonymität. Wer sich hier bewegt, will keine Spuren hinterlassen, wie Informatiker und Cyber-Security-Experte Rainer Böhme von der Universität Innsbruck erklärte: „Das ‚Darknet‘ sind im Grunde Teile des Internets, die man nicht in einer Suchmaschine findet. Man kann es sich quasi wie eine Fima vorstellen, die nicht im Firmenbuch oder im Telefonbuch steht.“ Die Abgrenzung ist nicht immer eindeutig. „Wenn Sie zum Beispiel einen bestimmten Messenger-Dienst installieren müssen, um an einer Chat-Gruppe teilzunehmen, fällt das eigentlich auch in die Definition von ‚Darknet‘“, so Böhme.

https://tirol.orf.at/stories/3062364/
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„Darknet“

Der Begriff „Darknet“ (wörtlich: „Dunkelnetz“) entstand bereits in den 1980er Jahren als es noch kein kommerzielles Internet gab. Er bezeichnet im Prinzip Rechner, die vernetzt sind und nur dann reagieren, wenn eine spezielle Software gebraucht wird.

Privatsphäre und Freiheit von Zensur

Auf Darknet-Seiten gelangt man mit besonderen Programmen, die man auf dem Computer installiert, etwa einem sogenannten „Tor-Browser“. Die Wege der Nutzerinnen und Nutzer werden dadurch verwischt und schwerer nachvollziehbar. „Das Programm überträgt Datenpakete über mehrere Zwischenstationen. Es wurde entwickelt, um die Privatsphäre zu erhöhen, sodass Internet-Anbieter nicht mehr jede Online-Aktivität der Userinnen und User mitbekommen. Das ist durchaus eine sinnvolle Anwendung“, so Böhme.

Besonders wichtig sei das Prinzip auch in Ländern, deren Regierungen gegen die eigene Bevölkerung vorgingen und wo Zensur herrsche: „Überall dort hilft so ein Browser, Information von der Außenwelt in diese Länder zu bringen. Der Staat kann dann zum Beispiel nicht mehr mitlesen, wenn sich in China jemand online bei Amnesty International über Menschenrechte informiert.“

Illegale Daten, Waren und Dienstleistungen

Damit dieses Prinzip der Verschleierung gut klappt, braucht es eine starke Technik. Das wiederum macht es auch für Polizeibehörden in demokratischen Ländern sehr schwer, nachzuvollziehen, für welche illegalen Online-Aktivitäten Kriminelle diese Programme nutzen: „Wenn eine normale Internetseite mit einem Impressum etwas Illegales anbietet, ist es einfach, mit dem Streifenwagen bei den Verantwortlichen vorbeizufahren und dort zu ermitteln. Wenn jemand seine Identität verschleiert und die Seite im Ausland hostet, wird es schwierig“, gab Böhme zu bedenken.

Die erste Version des Tor-Browsers wurde 1998 entwickelt. Den Anfang des illegalen Online-Angebots machten vor gut 20 Jahren Musik- und später Video-Downloads. Inzwischen reicht die illegale Bandbreite von Kinderpornographie bis hin zum Darknet als Waffen- oder Drogenumschlagplatz. „Es gibt natürlich auch Fälle von Tirolerinnen und Tirolern, die auf Darknet-Marktplätzen mit illegalen Waren oder Dienstleistungen gehandelt haben. Das ist ein globales Phänomen, das eben auch in Österreich passiert“, erläuterte Böhme.

Auge mit Reflektion eines Computerbildschirms
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Viele Darknet-Drogen per Post

Laut dem aktuellsten Cybercrime-Bericht des Justizministeriums stellte der Zoll im internationalen Briefzentrum Frankfurt am Main bisher etwa 28.500 Briefsendungen sicher, die insgesamt rund zwei Tonnen Suchtmittel beinhalteten. Adressiert waren sie an Empfängerinnen und Empfänger aus über 90 verschiedenen Nationen. Dabei belegte Österreich seit Beginn der Kontrollen, gemessen an der Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger, den zweiten Platz hinter den USA und liegt damit vor Destinationen wie Großbritannien, Frankreich oder Australien. Seit dem zweiten Halbjahr 2019 führt Österreich die Reihung konstant an erster Stelle an.

Insgesamt wurden demnach über 240 Kilogramm Drogen nach Österreich verschickt, hauptsächlich die Suchtmittel Amphetamin und MDMA, einschließlich 38.000 Stück Ecstasy-Tabletten und 1.200 LSD-Trips. Auch in Österreich werden regelmäßig Drogensendungen beschlagnahmt, die ausschließlich über Darknet-Marktplätze bestellt würden, wie es hieß – mehr dazu in Zoll fängt 156 Drogenpakete ab. Mehr als drei Viertel kommen demnach aus den Niederlanden.

Postsendung und Brieffächer
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Immer wieder Erfolge der Exekutive

Gut jedes halbe Jahr gelingt es der Exekutive, einen illegaler Darknet-Marktplatz auszuheben: „Es ist natürlich eher schwierig, einzelne Täter zu ermitteln, aber es gibt immer wieder Erfolge der Strafverfolgungsbehörden, die oft international zusammenarbeiten. Diese Marktplätze sind nämlich selten in Österreich, obwohl auch Österreicherinnen und Österreicher darauf handeln“, erklärte Böhme.

„Manchmal gibt es große Ermittlungserfolge, wo viele Daten in die Hände der Strafverfolger gelangen. Natürlich stehen dort dann auch die Server und man sieht, wer illegale Waren bestellt hat. Diese Daten werden dann an die Behörden verteilt, sodass sie dann in den Ländern der Täter weiterermitteln können“, so der Experte.

Seit 15 Jahren schulen die Informatikerinnen und Informatiker der Uni Innsbruck Strafverfolgungsbehörden und wirken auch an großen europäischen Projekten und Weiterbildungen zum Thema „Darknet-Kriminalität“ mit. Cyber-Kriminalität, so der Tenor, steige tendentiell eher an, parallel zu den Lebensbereichen, die sich immer mehr ins Digitale verschieben.