Der Schriftzug Insolvenz steht auf einem Tisch zwischen Scrabble-Buchstaben
APA/dpa-Zentralbild
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Wirtschaft

Weiterhin wenige Firmenpleiten in Tirol

Seit Beginn der Pandemie sind Firmenpleiten in Tirol selten geworden. 109 Unternehmen schlitterten heuer in den ersten neun Monaten in die Pleite. Für eine „normale“ Marktbereinigung müssten es aber deutlich mehr sein, hieß es vom Kreditschutzverband 1870.

Die Abläufe eines funktionierenden, freien Marktes hätten sich durch die vielen Unterstützungsmaßnahmen von Bund und Ländern grundlegend verändert, hieß es vom Kreditschutzverband 1870 (KSV1870) in einer Aussendung. Es gehöre zu einem funktionierenden Wirtschaftssystem dazu, dass schwache Unternehmen aus dem Markt ausscheiden müssen und so Platz für neue, innovative Betriebe schaffen. Dass dies seit Beginn der Pandemie aber nur in einem eingeschränkten Ausmaß stattfindet, berge ein wesentliches Risiko für den Standort Tirol.

Insolvenzgeschehen kommt erst langsam in Schwung

Heuer gab es im ersten Quartal mit nur 19 besonders wenige Firmenpleiten in Tirol. Im zweiten Quartal stieg diese Zahl auf 42, im dritten Quartal auf 48 Unternehmenspleiten. Der Trend zeigt nach oben, was aus volkswirtschaftlicher Sicht zu begrüßen sei, so Klaus Schaller, Regionalleiter der Region West des KSV1870. Wenn schwach aufgestellte Unternehmen den Markt nämlich nicht verlassen, bestehe die Gefahr, „dass diese strauchelnden Betriebe durch eine ruinöse Preisgestaltung auch eigentlich wirtschaftlich stabile Unternehmen in ihrer Existenz gefährden“, so Schaller.

Klaus Schaller vom Kreditschutzverband 1870
ORF
Klaus Schaller

Die größte Wirkung hätten die Corona-Unterstützungsmaßnahmen vom Bund im Bereich der Hotellerie gezeigt. 2021 habe es bislang nämlich noch keine einzige klassische Hotelpleite gegeben. Die meisten Pleiten gab es bei „Unternehmensbezogenen Dienstleistungen“ gefolgt von den Bereichen „Gastgewerbe“ und „Bauwirtschaft“. Weiterhin werde das Insolvenzgeschehen von Klein- und Kleinstinsolvenzen dominiert. Nur bei vier von den bisher insgesamt 109 Firmenpleiten gab es laut KSV1870 Verbindlichkeiten über einer Million Euro.

KSV1870 rechnet nicht mit Pleitewelle im nächsten Jahr

Die Zahl der Insolvenzen sank heuer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 138 auf 109. Bei gut einem Drittel der insolventen Unternehmen wurde kein Verfahren eröffnet, da die Anlaufkosten eines Insolvenzverfahrens nicht gedeckt waren. „In der Praxis bedeutet dies, dass die Insolvenzrichter davon ausgehen, dass nicht einmal freies Aktivvermögen im Wert von 4.000,00 Euro bei den betroffenen Unternehmen vorhanden ist“, hieß es von Seiten des KSV1870.

Der Kreditschutzverband rechnet damit, dass das Insolvenzgeschehen in den kommenden Wochen konstant anziehen werde. Weil Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsabgaben auslaufen, sei damit zu rechnen, dass es vor allem im kommenden Jahr zu kontinuierlich steigenden Insolvenzzahlen kommt. Mit einer Pleitewelle 2022 rechnet der Kreditschutzverband allerdings nicht.

Hotel in Innsbruck
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2021 gab es in Tirol bisher keine einzige klassische Hotelpleite

Bisher 327 Privatinsolvenzen an Tiroler Bezirksgerichten

Auch bei den Privatinsolvenzen sei Tirol von einem Normalzustand noch weit entfernt, so der Kreditschutzverband. Im Vergleich zu 2019 wurden heuer um 166 weniger Fälle in den ersten neun Monaten verzeichnet. Das entspricht einem Minus von 33,7 Prozent. Im Vergleich zu 2020 gab es heuer 19 Verfahren mehr. Damals waren die Monate Jänner und Februar allerdings nicht von der Pandemie beeinflusst. Laut KSV1870 würden sich viele Privatpersonen aktuell noch in einer Art „Schockstarre“ befinden und sich aufgrund der Pandemie nicht mit ihrer wirtschaftlich prekären Situation auseinandersetzen.

Anreiz durch Insolvenzrechtsnovelle

Die Lage bei den Privatinsolvenzen werde von der Mitte Juli in Kraft getretenen Insolvenzrechtsnovelle beeinflusst. Laut Klaus Schaller würden vor allem Gläubiger von dieser Gesetzesänderung hart getroffen. Die Abschöpfungsperiode wurde nämlich auf drei Jahre gekürzt. Dabei handelt es sich um den Restzeitraum für die Restschuldbefreiung ohne Zustimmung der Gläubiger. „Die Schuldner werden ihren Gläubigern nur mehr zumindest das anbieten müssen, was in den nächsten drei Jahren angemessen verdient und für die Gläubiger gepfändet werden kann“, so Schaller.

Diese Form der erleichterten Schuldbefreiung werde in Tirol verhältnismäßig oft genutzt. Aufgrund der Möglichkeit dieser „Entschuldung light“ glaubt man beim Kreditschutzverband, dass über den Jahreswechsel hinaus wieder vermehrt insolvente Privatpersonen den Gang zu den Insolvenzgerichten antreten werden.