Kind mit Maske gegen das Coronavirus
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Bewusst gesund

Jedes vierte Kind zeigt Belastungssymptome

Kinder und Jugendliche haben seit Beginn der Pandemie auf besonders viel verzichten müssen und waren gleichzeitig auch mit Schuldgefühlen und Ängsten konfrontiert. Das alles hinterlässt Spuren, ein Viertel der Kinder zeigt Belastungssymptome im klinischen Bereich.

Kontaktverbot zu den Großeltern, wochenlanges Eingesperrtsein in den eigenen vier Wänden unter manchmal schwierigen familiären Bedingungen, Homeschooling mit all seinen Tücken und Schwächen für den Lernerfolg, kein Sporttraining, keine Treffen mit Freunden auf Spielplätzen oder in Jugendzentren.

Dazu kam noch die Rede von Kindern als „Virenschleudern“ und die damit verbundene Angst, man könnte deshalb eine Gefahr für ein älteres oder krankes Familienmitglied sein. Zuletzt noch der Impfaufruf an Kinder und Jugendliche, nachdem sich zu wenige Erwachsene impfen lassen. Politik und Gesellschaft haben den Jüngsten in den vergangenen 20 Monaten besonders viel zugemutet, und das ist nicht ohne Folgen geblieben.

Leerer Kinderspielplatz
ORF
Im Frühjahr 2020 blieben die Spielplätze leer

23 Prozent haben klinische Belastungssymptome

Seit März 2020 untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Rahmen der „Tiroler Covid-19 Kinderstudie“, welche Auswirkungen die Coronavirus-Krise auf die psychische Gesundheit der drei- bis zwölfjährigen Kinder hat. Bereits im März und im Dezember 2020 gab es dazu Onlinefragebögen, im Zentrum der dritten Befragung im Sommer 2021 stand die Frage, wie gut sich die Kinder seit den Öffnungsschritten erholt haben.

Das Ergebnis dieser dritten Studie wird im Herbst präsentiert, erste Resultate zeigen aber bereits, dass 23 Prozent der Kinder mittlerweile Belastungssymptome im klinischen Bereich haben, so Psychologin Silvia Exenberger. Bei der ersten Studie im März 2020 waren es noch sechs Prozent, im Dezember 2020 bereits 16 Prozent der befragten Kinder zwischen acht und zwölf Jahren.

Stoffpuppe Großmutter
ORF
Aus Angst, sie anzustecken, wurde die Oma lange Zeit nicht mehr besucht

Ampelsystem schätzt Ist-Situation ein

Es zeigen sich klassische Belastungs- und Traumasymptome wie schlechter Schlaf, Antriebslosigkeit, Konzentrationsmangel oder auch Angstzustände. An der Onlinestudie nahmen sowohl Eltern als auch Kinder teil. Am Ende des Fragebogens zeigte ein Ampelsystem, ob die jeweilige Situation noch im „grünen Bereich“ ist, zu kippen droht, oder ob die Symptome jenen Schwellenwert überschritten haben, bei dem man sich externe Hilfe suchen sollte. In diesem Fall gab es für Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer das Angebot für kostenlose und anonyme Beratungsstunden.

Silvia Exenberger
Foto Hofer
Silvia Exenberger vom Institut für Positive Psychologie

Resilienz kann durch die Krise helfen

Damit Kinder wohlbehalten durch die Krise kommen können, gilt es, ihre Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, zu fördern. Es gehe darum, dass man mit Herausforderungen und Belastungen umgehen und nach Möglichkeit auch gestärkt aus einer Krisensituation herausgehen kann, so Psychologin Silvia Exenberger, die am Institut für Positive Psychologie gemeinsam mit ihrer Kollegin Verena Wolf ein Programm entwickelt hat, mit dem bei Kindergarten- und Volksschulkindern Resilienz gefördert werden kann und das an den Pädagogischen Hochschulen gelehrt wird.

Um resilient werden zu können, muss einem Kind unter anderem klar sein, dass es geliebt wird, dass es zuversichtlich sein kann und dass seine Sorgen gehört werden. Ihm muss bewusst gemacht werden, dass es selbst Probleme lösen kann, dass es ein wichtiger Teil des Ganzen ist und dass es auch schön ist, anderen eine Freude zu bereiten. Ein resilientes Kind kann sich an Situationen flexibler anpassen und kann auch seine Gefühle ausdrücken. Eltern können bereits viel dazu beitragen, damit ihre Kinder resilient werden, etwa, indem sie Lob aussprechen und das Kind dadurch motivieren und Wertschätzung zeigen.

Letztlich ist auch die Krise selbst etwas, das Resilienz fördert – Psychologen nennen es posttraumatisches Wachstum. Das Wissen, dass man schon einmal eine Krise gemeistert hat, ist etwas, auf das man im späteren Leben immer zurückgreifen kann.