Tür zu einer Brustambulanz
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Gesundheit

Massiver Einbruch bei Brustkrebs-Diagnosen

Schätzungen gehen davon aus, dass seit der Pandemie tirolweit bei rund 100 Frauen Brustkrebs nicht oder deutlich verspätet diagnostiziert wurde. Die Teilnahme an Studien kann Patientinnen die Chance auf eine bestmögliche Therapie bieten.

„Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 verzeichneten wir in Tirol einen Rückgang von 60 Prozent bei den Brustkrebs-Neudiagnosen. Im zweiten Lockdown haben sich erneut 30 bis 40 Prozent weniger Frauen untersuchen lassen, obwohl dann die diagnostischen Einrichtungen offen waren“, damit ließ jetzt der Direktor der Uniklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Medizinischen Universität Innsbruck Christian Marth aufhorchen.

Viele Diagnosen kamen zu spät

Der Anteil der Patientinnen, die bereits Symptome haben, wenn sie kommen, habe sich verdoppelt. Österreichweit dürften sogar bei etwa 1.000 Frauen Brustkrebs nicht oder deutlich verspätet diagnostiziert worden sein.

Bildschirm bei Brustuntersuchung
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Durch die Corona-Pandemie wurde Brustkrebs vielfach erst sehr spät diagnostiziert

Mammografie wurde oft ein Jahr lang ausgesetzt

Marth sagte, es spiele zwar keine große Rolle, die Mammografie um zwei Monate zu verschieben, die Erfahrung zeige aber, dass Patientinnen die Untersuchung eher ein ganzes Jahr ausfallen lassen. Auch in Zeiten der Pandemie dürfe man auf andere Krankheiten nicht vergessen, mahnte der aus Südtirol stammende und in Innsbruck tätige Mediziner.

Was die Therapie betrifft, verfolge man seit den 1970er Jahren das Konzept der personalisierten Therapie. Seit damals gebe es die Hormontherapie. Die Immuntherapie spreche bei 15 bis 20 Prozent der Patientinnen an. Derzeit werde daran geforscht, Biomarker zu entdecken, die besser vorhersagen, wer auf die Immuntherapie anspricht, erklärte Marth.

Viele Frauen fragen von sich aus nach Studienteilnahme

Eine Chance für Frauen könne die Teilnahme an einer Studie sein, erklärte Marth. Aktuell gebe es rund 15 Studien, die sich mit verschiedenen Krankheitssituationen befassen. Diese würden zumeist im Rahmen von internationalen Netzwerken durchgeführt. Viele Frauen würden mittlerweile von sich aus fragen, ob es für sie eine Studie gibt.

Christian Marth
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Christian Marth sieht eine Chance in einer Teilnahme an einer Studie

„Die Patientinnen begreifen, dass eine Studie eine Chance ist, heute schon die Therapie von morgen zu erhalten. Wir versuchen, einem Großteil der Patientinnen eine Teilnahme anzubieten. Das bedeutet für sie zwar einen höheren Aufwand, weil sie sich noch mehr Untersuchungen unterziehen müssen. Dafür haben sie die Chance auf die bestmögliche, lebensverlängernde Therapie über den Standard hinaus“, so Marth.

Auch Männer können Brustkrebs bekommen

In Österreich erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Auch Männer können erkranken, jedoch deutlich seltener – auf etwa 100 Frauen kommt ein Mann. Ein höheres Risiko haben laut Marth Männer mit Brustwachstum infolge der Einnahme bestimmter Medikamente. Die Therapie verlaufe sehr ähnlich wie bei Frauen und auch die Überlebenschancen seien gleich. In Tirol erkranken laut Marth jedes Jahr vier bis fünf Männer an Brustkrebs.