Mann sitzt auf einer Bank mit dem Rücken zur Kamera.
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Bewusst Gesund

Expertin: Psyche stärken mit Meditation

Psychische Probleme durch Stress nehmen immer mehr zu. Zumindest jeder dritte Mensch ist im Laufe seines Lebens zumindest einmal psychisch krank. Vorbeugen kann man mit Bewegung und Entspannungstechniken.

Manche Menschen können gut mit schwierigen Lebenssituationen oder chronischem Stress umgehen. Sie haben eine gute Resilienz, also Widerstandsfähigkeit in Krisensituationen. Resilienz kann man trainieren. Vor allem stressbedingte psychische Störungen ließen sich durch Präventionsmaßnahmen verhindern oder zumindest vermindern.

Susanne Baumgartner ist Fachärztin für Psychiatrie und ärztliche Leiterin des Sonnenpark Lans, einer Reha-Einrichtung für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Sie hat im Gespräch mit ORF Tirol wichtige Fragen zum Thema „Jetzt die Psyche stärken“ beantwortet:

Dr. Susanne Baumgartner
pro mente GmbH
Susanne Baumgartner, Primaria im Sonnenpark Lans, empfiehlt Meditation zur Entspannung.

ORF Tirol: Warum macht Stress uns eigentlich krank?

Baumgartner: Bei Stress unterscheidet man Eustress und Disstress. Der Eustress ist jener Stress, der eine kurze Zeit anhält, positiv besetzt und eigentlich auch gesund ist. Schwierig wird es, wenn Stress über eine gewisse Dauer anhält, wenn er mit negativen Emotionen verknüpft ist oder mit Erfahrungen, dass man Anforderungen nicht gerecht wird.

Wenn wir in Stress kommen, wird das Nervensystem aktiviert und der Körper produziert Stresshormone. Eines der wichtigsten ist Koritsol. Dieses dämpft in weiterer Folge auch das Immunsystem. Wenn wir uns zu lange im Stressmodus befinden, dann haben wir zu viel Kortisol im Blut, welches vor allem im Gehirn sehr zerstörerische Auswirkungen haben kann.

ORF Tirol: Wie macht sich das dann im Alltag bemerkbar?

Baumgartner: Man weiß, dass beim Hippocampus – jenes Areal im Gehirn, wo wir Gedächtnis generieren – dass dieses durch Kortisol geschädigt wird. Das macht sich in Gedächtnisstörungen deutlich. Was die Patienten berichten ist, dass sie sich nicht mehr wie früher alles merken können. Dass sie oft Dinge verlegen und suchen und sich viel mehr aufschreiben müssen als früher. Sie tun sich zum Teil auch beim Lesen schwer und beim sich Konzentrieren.

Man merkt es auch bei der Selbstregulation, die ebenfalls gestört wird, wenn zu viel Kortisol im Blut ist. Das können viele bei sich selbst beobachten, dass wenn sie in Stress geraten, sie eher gereizt und vielleicht mal aggressiver reagieren als sonst.

Mehrere leere Stühle im Freien.
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Zumindest jeder dritte Mensche ist im Laufe seines Lebens zumindest einmal psychisch krank.

ORF Tirol: Stimmt der Eindruck, dass Stress uns heutzutage öfter und schneller krank macht als früher?

Baumgartner: Unsere Welt ist sehr komplex geworden und auch die Anforderungen haben sowohl quantitativ als auch qualitativ zugenommen. Wir bewältigen heute an einem Tag viele Dinge. Wir werden dabei zwar unterstützt durch verschiedene Maschinen oder die digitale Welt wie APPs am Handy, E-Mail oder Telefon und sind fast ständig erreichbar.

Diese permanente Aufmerksamkeit auf viele Punkte gerichtet, erfordert ein hohes Konzentrationsausmaß und in weiterer Folge ist das auch Stress für unser Gehirn. Auch wenn wir es gut bewältigen, macht es etwas mit unserem Körper und jene, die unter dieser Anforderung leiden, merken es als wirklich sehr belastenden Stress. Ich glaube, dass die Anforderungen, die das Leben generell stellt – vom beruflichen angefangen bis hin zu den ganzen gesellschaftlichen Anforderungen – psychische Erkrankungen begünstigen

ORF Tirol: Was empfehlen Sie jemandem, der unter Stress leidet? Was wäre wichtig zu tun?

Baumgartner: Man muss verstehen, dass die Probleme selten von heute auf morgen entstehen. Sie haben oft ihre Wurzeln in gewissen Verhaltensmustern, die wiederum biographisch bedingt sind. Deswegen ist eine Psychotherapie wichtig, um einmal zu verstehen, warum vielleicht manche Situationen sich im Leben immer wieder wiederholen und auch nicht als günstig erachtet werden. Dass man sie gemeinsam mit dem Therapeuten betrachtet und Lösungsstrategien erarbeitet.

Das passiert bei Psychotherapie aber auch Kreativtherapie. Was wir im Sonnenpark Lans natürlich auch anbieten sind verschiedene Entspannungstechniken von Autogenem Training über Muskelentspannung nach Jacobson bis hin zur Meditation. Vor allem die Meditation ist mit ihrem Fokus auf Bewertungsfreiheit und das im Hier-und-Jetzt-Sein für diese psychischen stressbedingten Phänomene eine sehr gute Methode.

Mann im Wald berührt Baum im Gegenlicht der Sonne.
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Entspannungstechniken aber auch Bewegung und soziale Aktivitäten können hilfreich zur Vorbeugung von stressbedingten psychischen Störungen sein.

ORF Tirol: Warum ist Meditation so eine effektive Methode bei Stress?

Baumgartner: Ich muss vorweg sagen, dass Meditation eine Konzentrationsübung und von dem her schwer zu erlernen ist. Aber sie lohnt sich deswegen, weil sie am Kernpunkt von Stress ansetzt: an der Bewertung von Situationen. Wenn wir uns überlegen, was uns stresst, dann merken wir meistens, dass das negativ besetzte Situationen sind, die wir weit über die reale Situation hinaus mit uns herumtragen.

Das heißt, alleine das Denken an Etwas, das negativ erlebt wurde, löst in uns entsprechende negative Emotionen bis hin zu Stressreaktionen aus. Wenn es uns gelingt diese Bewertung der Situation zu entkoppeln von dem was eigentlich passiert ist, dann können wir schon da schon sehr viel dagegen wirken. Man konzentriert sich beim Meditieren sehr stark auf das Hier und Jetzt, auf die Gegenwart und versucht Gedanken möglichst neutral zu betrachten.