Reshad N. staunte nicht schlecht, als er am 25. August 2021 einen Brief der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – kurz BBU – öffnete. „Wir würden Sie gerne über die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr in ihr Herkunftsland und verfügbare Unterstützungsangebote informieren. Bitte kontaktieren Sie uns für die Vereinbarung eines unverbindlichen Informationsgesprächs.“
Angst vor Abschiebung trotz Krieg
Der 23-Jährige stammt aus Afghanistan und wohnt seit sechs Jahren in Österreich. Im März 2021 wurde sein Asylantrag in letzter Instanz abgewiesen. Afghanistan galt da noch in den Augen der österreichischen Behörden als sicher. Mittlerweile hat sich die Lage mit der Machtübernahme der Taliban drastisch verändert. Das Außenministerium hat eine Reisewarnung für Afghanistan ausgegeben.
„Ich war voll schockiert als ich den Brief gelesen habe", erzählte der 23jährige Afghane. „Und dann hab ich gesagt, ich will nie, nie wieder nach Afghanistan. Ich habe die Bilder im Fernsehen gesehen, die Taliban haben Afghanistan erobert. Das macht mir Angst, wenn ich denke was mit mir passiert, wenn ich dorthin abgeschoben werde.“
Einladungen werden laufend verschickt
Trotz der dort offensichtlich gefährlichen Lage verschickt die Bundesagentur auch an Flüchtlinge aus Afghanistan weiterhin Einladungen zu Rückkehrberatungen. Das bestätigte ein Sprecher der BBU gegen ORF Tirol. Die Anordnung dazu komme vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Innenministerium.
„In den Asylverfahren müssen zu bestimmten Zeitpunkten Rückkehrberatungen stattfinden. Wann immer dieser Zeitpunkt erreicht ist, bekommen wir eine Information vom BFA und verschicken dann die Einladung“, so der BBU-Sprecher. Wird diese nicht wahrgenommen, wird das an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückgemeldet und dort im jeweiligen Verfahrensakt vermerkt.
„Rückkehrberatung gesetzlich vorgesehen“
Warum Österreich trotz der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen mit einem negativen Asylbescheid forcieren will, konnte beim BFA niemand beantworten. Eine Interviewanfrage wurde vom Innenministerium abgelehnt. „Die Durchführung von Rückkehrberatungsgesprächen ist gesetzliche festgeschrieben“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
„Darüber hinaus steht es Fremden – egal ob das Asylverfahren noch laufend oder bereits abgeschlossen ist und unabhängig vom Herkunftsstaat – jederzeit zu, freiwillig in das Heimatland auszureisen. Diese Möglichkeit gilt vorbehaltlos auch dann, wenn eine zwangsweise Außerlandesbringung aufgrund der vorherrschenden Lage im betreffenden Staat aktuell nicht möglich ist“, so die Stellungnahme aus dem Innenministerium.
Ungewisse Zukunft
Reshad N. möchte in Österreich bleiben. Der 23jährige macht derzeit an der Schule für Sozialbetreuungsberufe in Innsbruck die Ausbildung zum Assistenzpfleger in der Alten- und Behindertenbetreuung. „Ich will meine Schule fertig machen. Ich möchte später mit alten Menschen arbeiten und helfen. Ich möchte einen positiven Asylbescheid, um mir hier ein sicheres Leben aufzubauen“, sagte Reshad N.
Ob der 23-jährige Afghane angesichts der veränderten Lage in Afghanistan einen neuen Antrag auf Asyl stellen wird, weiß er noch nicht. In diesem Fall, so die Information eines Rechtsanwaltes, müsste er wieder ins Erstaufnahmezentrum Talham in Oberösterreich. Und ob er dann wieder nach Tirol in die Grundversorgung für Flüchtlinge kommt, sei nicht sicher.