Beim ersten Testverfahren, einem Zugversuch, verankert die Gutachterin oder der Gutachter ein Seil in der Baumkrone und fixiert es am Boden. Die Fläche der Krone wird berechnet und im Verfahren wie ein Segel gewertet. Der Zug am Seil simuliert die Windstärke.
Sensoren messen Belastung
Am Baumstamm und im Wurzelbereich werden Sensoren angebracht, die die Krümmung und Dehnung der Holzfasern unter Zugbelastung messen. Über den Zugversuch prüft man, ob der Baumstamm bei starkem Wind zu brechen oder ob er samt Wurzeln aus dem Boden gerissen zu werden droht.
Untersuchungen lassen Baum unversehrt
Bei der zweiten Untersuchung, einer Schalltomographie, werden rund um den Stamm Nägel mit Schallsensoren angebracht und verbunden. Anschließend wird mit einem kleinen Hammer auf die Nägel geklopft und die Geschwindigkeit der Schallübertragung gemessen. Diese Geschwindigkeit lässt Rückschlüsse über die Dichte im Inneren und Äußeren des Stammes zu.
Andreas Schweiger von den Österreichischen Bundesforsten führte an der Blutbuche die Schalltomografie durch. Die Stärken des Verfahrens seien, dass das Innere des Stammes sichtbar gemacht werden kann und der Baum durch die Untersuchung keinen Schaden nimmt.

Die Schalltomographie bildet das Ergebnis in verschiedenen Farben ab. Je nach Programm sind gesunde Anteile braun und schwarz, faule oder hohle blau und lila. Grün markiert ein Übergangsstadium.
Stabiler Hohlkörper widerspricht Volksglauben
Hohl bedeute nicht gleichzeitig instabil, erläuterte Baumsachverständiger Rainer Prosenz, der in Innsbruck den Zugversuch durchführte. „Windräder sind hohl, auch im Spitzensport werden Teile ausgehöhlt, um Gewicht zu sparen, auch Knochen sind hohl. Das Rohr ist ein gutes Bauteil, das gilt auch für den Baumstamm.“

Alte Bäume wie der zur Debatte stehende vor dem Haus der Musik werden von Experten als Mikrokosmos sehr geschätzt. Manche Organismen könnten nur in Totholz wie z.B. den hohlen Stammanteilen der um 1900 gepflanzten Buche überleben. Alexander Spechtenhauser vom Institut für Baumgesundheit in Telfs, der im Auftrag der Stadt das Gutachten erstellt, verweist auf Alternativen zum Fällen eines alten Baums. Rückschnitte z.B. oder wie im englischen Raum Stützkonstruktionen für ausladende Äste.
Äußeres Erscheinungsbild als Abbild des Alterns
Dass die Baumkrone etwas mitgenommen wirke, sei kein Zeichen für das Absterben, sondern entspreche der biologischen Entwicklung des Baumes: „Die Krone wird kleiner“, so Baumsachverständiger Prosenz, „dadurch steigt die Sicherheit des Baumes, dadurch darf er sich Schäden erlauben. Das ist der Kreislauf der Bäume.“ Mitte September wird im Stadtsenat auf Basis des neuen Gutachtens über den Baum entscheiden.

Nicht das einzige Gutachten
Aufgrund der bisheriger Beurteilung eines Sachverständigen gibt es an der Stabilität der Blutbuche Zweifel. Dieses nach rein äußerlichen Kriterien erstellte Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der Baum ein Sicherheitsrisiko sei. Bis zu einer Entscheidung hat die Stadt den möglichen Sturzraum rund um den markanten Baum zwischen Hofburg und Haus der Musik mit einem Zaun abgesperrt.