Zapfsäule mit Benzin, Super und Diesel von vorne
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Politik

Diesel entzweit Wirtschaftsbund und Grüne

Die von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) geplante Abschaffung des Dieselprivilegs sorgt für Kontroversen zwischen dem ÖVP-Wirtschaftsbund und den Grünen in Tirol. Diesel ist geringer besteuert als Benzin.

Für die Grünen ist das eine Ungerechtigkeit. Der Wirtschaftsbund befürchtet künftig dagegen höhere Kosten. Die Abschaffung des günstigeren Steuersatzes für Diesel gegenüber Benzin ist laut Gewessler im Rahmen der ökosozialen Steuerreform vorgesehen, die im ersten Halbjahr 2022 umgesetzt werden soll, berichtete die Tiroler Tageszeitung.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser und Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl (beide ÖVP) reagierten auf diese Ankündigung mit scharfer Kritik. Sie forderten die Ministerin auf, „umsetzbare Zukunftslösungen“ auf den Tisch zu legen, anstatt mit einer erhöhten Dieselsteuer Pendler und Konsumenten zu belasten.

Lkw Billigtankstelle Fritzens
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Kritiker sehen die günstigen Dieselpreise in Österreich als Magnet für den Lkw-Transit durch Tirol

ÖVP-Vertreter bestreiten Effekt auf Transitverkehr

Hörl und Walser betonten in einer Aussendung, dass die Abschaffung des Dieselprivilegs den Transitverkehr durch Tirol allenfalls marginal verringern könne. Unternehmen würden in vielen europäischen Ländern Teile der dortigen Mineralölsteuer rückerstattet bekommen, für sie sei der Dieselpreis nahezu gleich teuer wie in Österreich. Von Kritikern des Dieselprivilegs wird der günstigere Preis an den Zapfsäulen in Österreich immer wieder als Anreiz für Lkw-Transitfahrten durch Tirol genannt, weil eine Volltankung in Tirol sogar die damit einhergehenden Umwege rentabel machen würde.

Der Wirtschaftsbund weist das zurück. Statt dessen würde ein höherer Dieselpreis die heimische Bevölkerung treffen. In Tirol hätten mehr als die Hälfte der zugelassenen Pkw einen Dieselmotor. Im Transport, in der Landwirtschaft und im Baugewerbe würden praktisch 100 Prozent der Fahrzeuge mit Diesel fahren, so der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser. In Summe würde eine höhere Dieselsteuer die Tiroler Bevölkerung und Wirtschaft im Jahr 70 Millionen Euro kosten.

Lkw Stau Brennerautobahn
zeitungsfoto.at/Liebl Daniel
Lkw-Stau auf der Europabrücke: Ein bekanntes Bild in Tirol

Grüne sehen rückwärtsgewandte Argumente

Die Grünen sehen in der Wirtschaftsbund-Kritik eine „rückwärtsgewandte und tatsachenverdrehende Wortmeldung“. Leider sei es zu erwarten gewesen, dass die Tiroler Wirtschaftsvertreter zwar gerne den Klimaschutz in den Mund nehmen, „aber bei der erstbesten Gelegenheit in die falsche Richtung abbiegen“. Das Dieselprivileg werde von allen Expertinnen und Experten als komplett falscher steuerlicher Anreiz eingestuft, der zudem zusätzlichen Transitverkehr durch Tirol verursache, argumentierte der Nationalratsabgeordnete der Grünen, Hermann Weratschnig.

Die Abschaffung des Dieselprivilegs würde im Zuge einer großen Steuerreform erfolgen, bei der andererseits deutliche Entlastungen für Einkommensschwache vorgesehen werden. In Summe gehe es darum, für „eine neue Fairness“ zu sorgen. Wer klimafreundlich lebe und wirtschafte, solle das im Geldbeutel spüren, so Weratschnig. Für eine durchschnittliche Pendlerin oder einen durchschnittlichen Pendler in Tirol würde die Abschaffung des Dieselprivilegs um die 34 Euro an Mehrkosten pro Jahr bedeuten. Die Schwankungen der Treibstoffpreise an der Zapfsäule hätten heuer im Vergleich dazu bereits ein Mehrfaches davon ausgemacht, betonte der grüne Nationalratsabgeordnete aus Tirol, der von den Wirtschaftsvertretern mehr Einsatz für den Klimaschutz verlangt. Immerhin würden die Klimaziele in Österreich in erster Linie beim Verkehr verfehlt.