Teddybär (Symbolbild)
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Soziales

Missbrauch: Expertin fordert Zivilcourage ein

Etwa jedes achte Kind ist von sexuellem Missbrauch betroffen. Darauf hat die Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol, Eva Pawlata, aufmerksam gemacht. Fälle von Gewalt würden betroffen machen, besser sei es aber, Betroffenheit durch Mut und Zivilcourage zu ersetzen und einen Verdacht nicht beiseite zu schieben.

Aus der Forschung wisse man, dass jedes achte Mädchen und jeder achte Bursche von sexuellem Missbrauch betroffen sei, sagte Pawlata am Mittwoch in „Tirol heute“. Wenn man Lehrer schule, sage man denen, dass in einer Klasse zwei bis drei Kinder von sexuellem Missbrauch betroffen sind. „Das ist schon eine recht hohe Zahl, obwohl hier die Dunkelziffer noch einmal höher ist als im Bereich häuslicher Gewalt allgemein.“

Hinweise junger Menschen werden oft überhört

Der Missbrauch dauere oft jahrelang und junge Leute würden oft viele Hinweise abgeben, dass etwas passiere, „diese Hinweise werden oft nicht gehört“, so Pawlata. Wenn der Missbrauch über Jahre gehe und verschiedene Entwicklungsschritte betreffe, habe das Auswirkungen im psychischen und im körperlichen Bereich. Die Menschen hätten Probleme, ins Leben zu finden, Beziehungen zu führen, Ausbildungen fertig zu machen oder eine Arbeit zu finden.

Eva Pawlata
ORF
Pawlata wies am Mittwoch in „Tirol heute“ auf die möglicherweise lebenslangen Folgen sexualisierter Gewalt hin

Aktuell berichtet die Gewaltschutz-Expertin von einem Fall einer 20-jährigen Frau, die zehn Jahre lang Missbrauch durch den Lebensgefährten der Mutter erlebt hat. Dieser Fall werde auch vor Gericht kommen und aus einem solchen Fall ließen sich einige Dynamiken ableiten, die sich durch Missbrauchsfälle ziehen.

Auswirkungen dauern oft ein Leben lang

Oft seien es immense und ein Leben lang dauernde Auswirkungen, stellt Pawlata fest. Das Problem sei, dass dieser Bereich der Gewalt noch mehr als andere Bereiche hinter verschlossenen Türen stattfinde, da sei oft auch das Bezugssystem gefragt, wie Lehrerinnen oder Kindergärtnerinnen oder Personen, die außerhalb der Familie einen Verdacht haben. „Da ist es ganz wichtig, dass so ein Verdacht auch ernst genommen und angesprochen wird“. Es sei der falsche Weg, so etwas unter dem Teppich zu kehren, oft stecke ein bisschen Wahrheit hinter einem Verdacht.

Was die Coronazeit betrifft, so gebe es zwar noch keine wissenschaftlichen Studien, was etwa die Dunkelziffer betrifft, Pawlata vermutet aber, dass man davon ausgehen könne, dass Kinder und Jugendliche, die Missbrauch erlebt haben, diesen in dieser Zeit öfter erlebt haben, weil alle zuhause sind und Kinder zugänglicher sind für die Täter.

Verdacht soll angesprochen werden

Solche Themen würden betroffen machen, die Betroffenheit solle aber eingewechselt werden durch Mut und Zivilcourage nicht nur von Berufsgruppen, die mit Kindern zu tun haben. Jeder der einen Verdacht habe, dass ein Kind irgendwelche Form von Gewalt erlebt, solle sich trauen, das anzusprechen oder sich an eine Opferschutzeinrichtung wenden und sich vielleicht auch anonym beraten lassen, wie man vorgehen könnte, rät die Expertin.

Aktueller Fall: Sieben Männer vor Gericht

Aktueller Anlass für das Interview mit Eva Pawlata war ein Missbrauchsprozess am Landesgericht Innsbruck. Insgesamt sieben Männer waren wegen des sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen angeklagt. Die Männer sollen im Jahr 2017 das Mädchen mehrfach schwer sexuell missbraucht und später auch die gefilmten Szenen weiterversendet haben. Die zum Tatzeitpunkt 20 bis 30 Jahre alten Männer waren teilweise selbst Väter von kleinen Kindern.

Männer am Gang vor Gerichtssaal
ORF
Beim Missbrauchsprozess am Mittwoch wurden drei verurteilt, für vier gab es einen Freispruch

Vier der sieben Angeklagten wurden am Mittwoch freigesprochen, da ihnen nicht nachgewiesen werden konnte, über die Minderjährigkeit des Mädchens Bescheid gewusst zu haben. Für einen Täter gab es zwei Jahre unbedingte Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs, für die weiteren Täter neun Monate bedingt und eine Geldstrafe beziehungsweise eine unbedingte Geldstrafe. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.