Einsame Hotelrezeption
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Wirtschaft

„Long Covid“ im Tiroler Sommertourismus

Die Tiroler Tourismusbranche erholt sich nur schleppend von der Pandemie. Das erhoffte Reisefieber nach dem Lockdown bleibt aus. Zur Halbzeit der Sommersaison verzeichnen die Beherbergungsbetriebe noch immer rund 40 Prozent weniger Gäste als im Sommer vor Corona.

Das Ortszentrum von Kirchberg in Tirol liegt im Mittagsschlaf. Viele Gastgärten sind geschlossen, auf der Terrasse des Bräuwirts sind die meisten Tische frei. „Gegenüber 2019 haben wir bei uns im Hotel eklatante Einbrüche zu verzeichnen“, sagt die Wirtin, Katrin Koidl.

Gastgarten mit BLumen im Vordergrund
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Im Dornröschenschlaf: Gastgarten in Kirchberg

Christine Widauer, die im benachbarten Brixen im Thale vier Betriebe führt, vom Campingplatz bis zum Sporthotel, spricht von einem Auf und Ab: gute Wochen wechselten mit Durchhängern. Für eine stabile Saison fehlten die internationalen Gäste, vor allem die Holländer, sagt sie. „Auch die Österreicher sagen jetzt wieder: wir fahren lieber nach Italien. Die gehen auch ab.“

80 Prozent weniger Ankünfte am Innsbrucker Flughafen

Die Reiselust der Tirolerinnen und Tiroler zeigt sich auch am Innsbrucker Flughafen. Flüge nach Griechenland, Kroatien und Spanien seien sehr gut gebucht, sagt Patrick Dierich, der stellvertretende Direktor. Bei den Ankünften jedoch klafft ein Minus von 80 Prozent verglichen mit 2019. Der Charterverkehr mit Großbritannien fällt wegen des coronabedingten Landeverbots ganz aus, zudem fehlten Maschinen aus Skandinavien sowie viele der Anschlussflüge aus Frankfurt und Wien.

Passagiere verlassen FLugzeug am Flugplatz
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Gern gesehen aber selten: ankommende Gäste am Flughafen Innsbruck

30 bis 40 Prozent weniger Gäste als 2019

Das Reisebüro „Eurotours“ in Kitzbühel verkauft nicht nur Reisen in andere Länder, sondern auch Tiroler Hotelbetten an Reiseveranstalter in ganz Europa und ist damit das größte Incomingbüro des Landes. Bis Ende Juli lägen die Buchungen heuer um rund 40 Prozent unter den Werten von 2019, sagt Geschäftsführerin Helga Freund.

Mario Gerber, Fachgruppenobmann der Hotellerie in der Tiroler Wirtschaftskammer, beziffert das Minus im Vergleich zu Vor-Coronazeiten auf 30 bis 40 Prozent. Besonders schwer hat es die Stadt Innsbruck, die im heurigen Juni um fast zwei Drittel weniger Übernachtungen zu verzeichnen hatte als im Juni 2019.

Coronaangst statt Reisefieber

Das Reisefieber, auf das die Tourismusbranche nach dem Ende des Lockdowns gehofft hatte, ist bisher also ausgeblieben. „Es fehlt einfach die Unbekümmertheit, das Gefühl, frei zu sein“, sagt die Kirchberger Wirtin Katrin Koidl. „Bei vielen Gästen ist einfach die Angst vor Covid da. Vor allem Pensionisten buchen nicht, die warten, denn Urlaub ist ihnen derzeit zu riskant“, berichtet Christine Widauer von Gesprächen mit Stammgästen.

Kurzfristige Buchungen verlangen große Flexibilität

Wer doch buche, mache das sehr kurzfristig, sagt Reisebürochefin Helga Freund. Das ist ein Trend, den auch die Hotelierinnen zu spüren bekommen. Unsicheren Gästen müsse man mit großzügigen Stornobedingungen entgegenkommen, berichtet Katrin Koidl. Die Saison sei kaum mehr planbar, man müsse sich fast täglich auf neue Gästezahlen einstellen, sagt ihre Kollegin Christine Widauer aus Brixen im Thale.

Badeteich Hotel
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Teich und Tennis in Brixen: je besser die Hotelausstattung, desto besser die Buchungszahlen

Vor allem mit ihrem Sporthotel mit Tennisplätzen und Wellnessanlage gehört sie zu den besser gebuchten Häusern im Lande. Rund 60 Prozent der Gäste in Tirol stiegen in Vier- und Fünfsterne-Hotels ab, entnimmt Helga Freund ihrer Statistik: „Kundinnen, die früher eher teure Fernreisen gebucht haben, lassen sich‘s jetzt halt in Österreich gut gehen.“

“Nicht in Saisonen, sondern in Generationen denken“

Unterm Strich sind es aber noch zu wenige, um dem Tiroler Tourismus einen „Sommer wie damals“ zu bescheren. Ob die Nächtigungszahlen jemals wieder so gut sein werden wie vor der Pandemie? – Helga Freund gibt sich zuversichtlich. Wenn die Impfquote in Europa weiter steige, werde auch der Sommer wieder so werden wie früher, sagt sie. Katrin Koidl, Bräuwirtin in Kirchberg, ergänzt: „Wir haben gelernt, im Tourismus nicht in Saisonen, sondern in Generationen zu denken. Wir werden das alles positiv überstehen.“