Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider im ORF Tirol Sommergespräch
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Politik

Liste Fritz: Mitregieren statt kontrollieren

Eine Kehrtwende beim eigenen Rollenverständnis kündigt die Liste Fritz an. Statt wie bisher rein als Kontrollpartei anzutreten wolle man jetzt mitregieren, erklärte Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider im ORF Tirol Sommergespräch. Das große Ziel sei eine Regierung ohne ÖVP.

Als Aufpasser und Kontrolleur der Tiroler Regierung bezeichnete sich die Liste Fritz seit ihrer Gründung immer wieder gern. Sie warb bisher damit, die einzige Partei zu sein, die „unabhängige Kontrolle“ biete. Das allein reicht der Partei jetzt offenbar nicht mehr, die Liste Fritz sei bereit, mitzuregieren, kündigte Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider im ORF Tirol Sommergespräch mit Chefredakteur David Runer an.

Langfassung: „Tirol heute“-Sommergespräch: Liste Fritz

Eine Kehrtwende beim eigenen Rollenverständnis kündigt die Liste Fritz an. Statt wie bisher rein als Kontrollpartei anzutreten wolle man jetzt mitregieren, erklärte Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider im ORF Tirol Sommergespräch. Das große Ziel sei eine Regierung ohne ÖVP.

Sendungshinweis

Das Sommergespräch mit der Klubobfrau der Liste Fritz, Andrea Haselwanter-Schneider, am Montag, 26.7.2021, um 19 Uhr bei „Tirol heute“ auf ORF 2

Damit schlug die Klubobfrau neue Töne an. Der plötzliche Wechsel von der Oppositionspartei zum Angebot als Regierungspartner sei für Haselwanter-Schneider aber kein Widerspruch, wie sie betonte. Wenn die Wählerinnen und Wähler die Arbeit der Liste Fritz stärken und bei der Landtagswahl 2023 mit mehr Mandaten ausstatten würden, wäre sie dafür bereit. „Anbiedern werden wir uns aber nicht“, so die Klubobfrau.

Ziel: Wählerschaft verdoppeln

Als Regierungspartner wolle sich die Liste Fritz aber nicht „einkaufen“ lassen, wie sie betonte. Man müsse als Regierungspartner nicht alle Werte über Bord werfen – wie das aussehe, hätten in der Vergangenheit bereits die Grünen und die FPÖ auf Bundesebene gezeigt. In Tirol würden die SPÖ und die NEOS dafür bereits in den Startlöchern dafür stehen, kritisierte Haselwanter-Schneider die anderen Oppositionsparteien, die ebenfalls eine Regierungsbeteiligung anstreben.

Punkten mit Kritik?

Mit der zum Teil scharfen Kritik konnte die Liste Fritz nicht alle Tirolerinnen und Tiroler überzeugen. Den Rollenwechel von der Kontrollpartei zum möglichen Koalitionspartner sehen Politikbeobachter allerdings als wenig glaubwürdig an.

Fraglich ist allerdings, wie realistisch diese Ankündigung ist. Um als Koalitionspartner überhaupt infrage zu kommen, müsste die Liste Fritz bei den nächsten Landtagswahlen wohl stark zulegen. Das Ziel der Partei ist deshalb auch hoch gesteckt: Statt bisher zwei Mandaten wolle man vier Mandate erzielen. Dann habe man auch die Stärke, um in einer Koalition bestehen zu können, glaubt Haselwanter-Schneider.

Jahrelange Probleme ohne Lösungen

Den plötzlichen Wechsel zur Regierungspartei erklärte die Klubobfrau der Liste Fritz damit, dass sich in Tirol in den letzten Jahren kaum etwas verändert habe. Beim Wohnen etwa werde seit Jahren nur geredet, „wo ist denn der Quadratmeterpreis in den letzten Jahren gesunken?“, fragte sich die Klubobfrau. Bei der schwarz-grünen Regierung ortete sie nur wenig Gestaltungwillen, das „kann die Liste Fritz besser“.

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Andrea Haselwanter-Schneider sieht sich bereit für eine Rolle in der Regierung

Um in die Regierung zu kommen, führt an der ÖVP wohl kein Weg vorbei – trotzdem sieht die Liste Fritz bei der Volkspartei den Ursprung der aktuellen Situation. „Alle Probleme die wir heute haben, hat die Regierungspartei zu verantworten“, so Haselwanter-Schneider. In 75 Jahren ÖVP-Regierung, teilweise sogar Alleinregierung, seien in Tirol viele Fehler passiert, als Beispiel dafür nannte sie den „Ausverkauf der Heimat“. Seit Jahren würden Leerstandserhebungen gefordert und angekündigt, passiert sei nie etwas. Das große Ziel müsse deshalb eine Tiroler Regierung ohne ÖVP-Beteiligung sein.

Bessere Bedingungen für Pflegepersonal

Viele Probleme seien durch die Corona-Krise noch einmal sichtbarer geworden, das betreffe vor allem auch die Gesundheitsberufe. Kaum eine Pflegerin oder ein Pfleger würden Vollzeit arbeiten wollen, das müsse ein Alarmsignal sein, so die Liste-Fritz-Obfrau. Hier sei in den letzten Wochen zu wenig passiert, dem Pflegepersonal müsse Druck von den Schultern genommen werden. Die Liste Fritz plädierte hier für eine Reduzierung der Arbeitszeiten.

Wie das finanziert werden soll, konnte Haselwanter-Schneider allerdings nicht beantworten. Hier müsse man einen Kassasturz machen und schauen, wie das Budget umgeschichtet werden könne, erklärte sie auf Nachfrage. Weiters müsse verstärkt auf mobile Teams gesetzt werden, weil die Pflege im Heim die teuerste Form sei. Als Lösung dafür sieht Haselwanter-Schneider einen Pool an Menschen, die stundenweise die Betreuung daheim übernehmen könnten. Auch ein Modell, das pflegende Angehörige anstellt wie im Burgenland könnte sich die Politikerin vorstellen – mehr dazu in Rund 200 pflegende Angehörige bei PSB angestellt.

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Im Gespräch mit Chefredakteur David Runer forderte die Klubobfrau der Liste Fritz einmal mehr Verbesserungen in der Pflege

„Klimaschutz-Euro“ im Tourismus

Als Maßnahme für den Klimaschutz könnte sich die Liste Fritz einen Euro pro Nächtigung in Tirol gut vorstellen. In einem erfolgreichen Tourismusjahr wie vor der Pandemie könnten damit 50 Millionen Euro für Klimaschutzprojekte verwendet werden. Für Haselwanter-Schneider wären hier besonders Projekte im Tourismus interessant, wie etwa wasserstoffbetriebene Schneekanonen oder plastikfreie Hotels. Ein Augenmerk könnte mit dem Geld auch auf die Anreise der Touristinnen und Touristen gelegt werden, der Großteil von ihnen reise immer noch mit dem Auto an, so die Klubobfrau.

Gerade im Bereich Tourismus und Klimaschutz müsse deutlich mehr gemacht werden als bisher, legte sie mit Kritik an der Regierung nach. Eine Perspektivenwoche zu veranstalten, in der als einziger Lösungsvorschlag die Bettenobergrenze genannt werde, sei für Haselwanter-Schneider deutlich zu wenig.

Zu schwach für Gemeindewahlkampf?

Die Erwartungen an die Gemeinderatswahlen im kommenden Jahr hielt die Liste Fritz niedrig. Man wolle unabhängige Listen in den Gemeinden unterstützen, unabhängige Beobachter und Aufpasser brauche es in jedem Ort, so Haselwanter-Schneider. Eine ausschließlich freiwillige Entscheidung dürfte das allerdings nicht sein.

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Bei den Gemeinderatswahlen wird die Liste Fritz eine unterstützende Rolle einnehmen

Um selbst beim Wahlkampf in den Gemeinden mitzumischen fehlen der Liste Fritz die Mitglieder. Gut 911 Euro erhielt die Partei 2019 an Mitgliedsbeiträgen, zeigte der Rechenschaftsbericht. Wie viele Mitglieder dahinter stecken, konnte die Klubobfrau nicht sagen, es dürften aber unter 100 sein. Nicht jeder zahle Mitgliedsbeiträge, versuchte Haselwanter-Schneider einen Erklärungsversuch. Es gebe aber viele Sympathisanten im Land, zeigte sie sich überzeugt. „Das ist mir viel wichtiger als eine Zahl, die in einem Rechenschaftsbericht steht oder eine Zahl an Mitgliedern.“ Um das Wahlziel bei der kommenden Landtagswahl zu erreichen, muss aber zumindest die Zahl der Wählerinnen und Wähler wachsen.