Kathrin Plattner, klinische Psychologin und Dominik Ziegler, Sozialarbeiter beim Gedenken an die Drogentoten
ORF
ORF
Gesellschaft

Stilles Gedenken an Drogentote

Im vergangenen Jahr sind in Tirol 21 Menschen an den Folgen ihrer Drogensucht gestorben. Das jüngste Opfer war erst 13 Jahre alt. Die Zahl der Toten liegt im langjährigen Durchschnitt. Am Mittwoch haben Psychologinnen und Sozialarbeiter der verschiedenen Hilfsorganisationen der Toten gedacht.

Es war ein stilles Gedenken am Innsbrucker Kaiserschützenplatz. Für jede und jeden Verstorbenen wurde eine Blume gepflanzt. Sie sollen nicht vergessen werden.

Die Gründe, warum Menschen in den Teufelskreis einer Suchterkrankung geraten, sind so vielfältig wie ihre Lebensgeschichten, wissen Psychologinnen und Sozialarbeiter aus ihren Erfahrungen. Oft sind schwere Traumatisierungen, desolate Lebensbedingungen oder auch psychische Erkrankungen Ursachen dafür.

Drogentod mit vielen Gesichtern

Dank eines breiten Hilfsangebots und einer besseren medizinischen Betreuung werden Drogenkranke heute oft deutlich älter als früher. Ihre Leidensgeschichte dauert oft Jahrzehnte. Am Ende steht aber meist ein einsamer Tod, sagte Dominik Ziegler, Sozialarbeiter in der Mentlvilla in Innsbruck. „Viele glauben, der Drogentod passiert mit der Nadel im Arm auf einer öffentlichen Toilette. Ja, es gibt Menschen, die so an einer Überdosis sterben. Aber häufiger sterben sie in Notunterkünften, auf offener Straße oder allein in ihrer Wohnung. Ihr Tod ist sehr oft einsam.“

Dominik Ziegler, Sozialarbeiter Mentlvilla Innsbruck
ORF
Dominik Ziegler ist Sozialarbeiter und betreut drogenkranke und wohnungslose Menschen in der Mentlvilla in Innsbruck

Gefährlicher Substanzen-Mix

Die Vorurteile gegenüber Drogenkranken sind immer noch groß. Nur wenige sterben an einer unmittelbaren Überdosis einer einzigen Droge. Es ist vielmehr ein wilder Mix an Drogen, Medikamenten und auch Alkohol, die zu schweren Schäden im Körper und letztlich zum Tod führen können, sagt die klinische Psychologin Kathrin Plattner von der psychiatrischen Abteilung im Krankenhaus Zams: „Das Problem bei den neuen chemischen Drogen ist, dass niemand weiß, was eigentlich hineingemischt wurde. Außerdem werden oft ganz verschiedene Substanzen auf einmal oder kurz hintereinander eingenommen. Das kann dann sehr schnell zu einer tödlichen Mixtur werden.“

Drogenkranke Menschen sterben allerdings häufig nicht an einer Überdosis. Der jahre- oder jahrzehntelange Missbrauch führt aber zu schweren Schäden der Organe. „Wenn jemand 50 Jahre alt ist und schon lange Drogen nimmt, ist sein Körper wie der eines 70-Jährigen, also viel älter“, erklärte Dominik Ziegler. „Sie sterben dann zum Beispiel an Organversagen.“

Kathrin Plattner, klinische Psychologin, KH Zams
ORF
Kathrin Plattner ist klinische Psychologin in der psychiatrischen Abteilung im Bezirkskrankenhaus Zams

Sonderfall Jugendliche

Junge Menschen kommen oft sehr früh mit sogenannten Partydrogen in Kontakt. Das Problem ist, dass sie meist gar nicht wissen, welche Substanzen sie sich einwerfen und in welcher Dosierung. Hier kann es sehr schnell zu einer tödlichen Mixtur kommen, so Kathrin Plattner: „Wenn schon sehr früh Drogen eingenommen werden, ist die Gefahr eines frühen Todes groß.“ Dass Menschen so jung sterben wie das 13-jährige Mädchen im vergangenen Jahr, ist in Tirol derzeit aber Gott sei Dank selten.

Viele Eltern haben Angst, dass ihre Kinder an „falsche Freunde“ geraten können und so in die Drogensucht hineinrutschen. Kathrin Plattner glaubt nicht, dass das ein häufiger Grund für ein Drogenproblem bei Jugendlichen ist. „In meiner Erfahrung geht es eher darum, dass gefährdeten Jugendlichen Fähigkeiten fehlen oder wenig ausgeprägt sind. Frustrationstoleranz, die Art der Konfliktlösung, oder auch ihr Bindungsverhalten spielen dabei eine große Rolle“, so die Psychologin.

Angebot weiter vergrößern

Im Drogen-Arbeitskreis Tirol tauschen sich Psychologinnen, Sozialarbeiter und Mediziner aus, die mit suchtkranken Menschen arbeiten und sie betreuen. Sie wünschen sich ein noch breiteres und niederschwelliges Therapie- und Hilfsangebot, um Menschen möglichst früh helfen zu können und damit Leben zu retten.