Karl Eller
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Brotprofi Karl Eller: Brot ist nicht gleich Brot

Durch Corona haben viele Tiroler angefangen, Brot zu backen. Karl Eller hingegen brauchte dafür keinen Lockdown. Er widmete sein ganzes Leben dem Brot. Der 70-Jährige weiß alles über die Tiroler Brotgeschichte und den perfekten Geschmack.

Wenn Karl Eller Brot backt, ist das wie eine kleine Zeitreise. Im Höfemuseum in Kramsach fertigt der Innsbrucker alte Tiroler Brotsorten wie früher – mit einem einfachen Sauerteig, alten Utensilien und einem 400 Jahre alten Freiluftofen, dem sogenannten „Zetta“-Ofen. „Der Ofen stand früher in einem Pfarrhaus. Und Zetta leitet sich vom Wort Zehent ab. Das war die für die bäuerliche Bevölkerung verpflichtende zehnprozentige Abgabe der Ernte an die örtliche Pfarrkirche“, erklärt Karl Eller.

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Der Ofen, mit dem Karl Eller backt, ist 400 Jahre alt

Zutaten für Karl Ellers altes Bauernbrot:
– 900g Roggenmehl
– 100g Weizenmehl
– 150g Sauerteig (selbst zubereitet)
– 15g Hefe
– 20g Salz
– 10g Gewürz (Kümmel, Fenchel)
– 0,75 l Wasser

Nicht nur das alte Bauernbrotrezept, das Eller zubereitet, erzählt von einer anderen Zeit. Auch die Formen, in die er den Teig bringt, sind heute oftmals nicht mehr geläufig, sagt Karl Eller: „Früher wurde das Brot gebrochen, nicht geschnitten. Um das zu erleichtern, wurden auch die Formen angepasst.“ Übereinandergelegte Brote heißen Pag, Schnittbrote mit Einkerbungen Schild- oder Paarlbrot. Und längliche Brote waren früher als Strutzen bekannt. Einen Laien erinnern sie an ein Baguette. Aber Vorsicht! „Der Vergleich ist fast schon eine Beleidigung für den Strutzen“, stellt der Brotspezialist klar.

Eine endlose Leidenschaft fürs Brot

Den 70-Jährigen begleitet die Begeisterung für das Brot, die Formen und die damit verbundenen Traditionen schon sein ganzes Leben. „Das ist wirklich eine endlose Geschichte“, sagt Karl Eller. Mit 12 Jahren arbeitet er als Brotjunge in seiner Heimatgemeinde Steinach am Brenner und beliefert Pensionen und Hotels mit frischen Backwaren. Danach beginnt er eine Bäckerlehre. „Ich bin heute noch stolz, dass ich im dritten Lehrjahr zweitbester Bäckerlehrling Österreichs war“, erinnert sich Eller. Er holt später die Matura nach, wird Lehrer und studiert Geschichte und Volkskunde mit dem Schwerpunkt Brotgeschichte.

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Der Tiroler EigenBRÖTler backt noch mit einem selbst angesetzten Sauerteig

Karl Ellers Lieblingsbrot: Leinsamenbrot
Zutaten
– 500 g Bio-Weizenvollkornmehl
– 250 g Bio-Roggenmehl
– 0,50 l Wasser (Zimmertemperatur)
– 30 g Hefe
– 2 EL Sauerrahm (ca. 60g)
– 1 EL Salz
– 80 g Bio-Leinsamen (geschrotet)

Teigzubereitung und Formgebung:
– Mehl, Salz und Leinsamen in einer Teigschüssel mischen
– Hefe hineinbröseln oder in der Teigflüssigkeit auflösen
– Restliche Zutaten dazugeben und alles zu einem Teig verarbeiten
– Teigschüssel abdecken
– Teigruhe – mindestens eine bis zweieinhalb Stunden
– Teigstücke zu Kugeln formen und anschließend länglich ausrollen
– Geformte Teigstücke mit einem Stofftuch abdecken und nochmal 20 bis 25 ruhen lassen

Backen:
– Backrohr auf 210 Grad vorheizen
– Brot für 50 bis 55 Minuten backen
– Danach Brot auf ein Gitter legen zum Abkühlen und mit Wasser bestreichen

Sein Wissen und seine Faszination für das Brot gibt Karl Eller seitdem weiter: „Was aus einem Mehl-Wasser-Gemisch entstehen kann. Da bewegt sich was, wenn man es stehen lässt. Man sieht förmlich, wie Mutter Natur arbeitet. Dass aus so etwas Einfachem das wichtigste Grundnahrungsmittel geworden ist, fasziniert mich.“

Von alten Traditionen und kargen Zeiten

Brot ist aber noch viel mehr als „nur“ ein Grundnahrungsmittel. Vielmehr ist es ein Spiegel der Gesellschaft und ein Fenster in das Leben vergangener Zeiten. Dabei kommt auch Überraschendes zu Tage. „Tirol war früher eine Brei- und keine Brotregion. Während breiartige Lebensmittel täglich gegessen wurden, haben die Menschen nur alle zwei Monate oder noch seltener gebacken. Frisches Brot war also eine Seltenheit. Sowohl der Tag der Herstellung, als auch die Tage, an denen das Brot gegessen wurde, waren wie Feiertage“, sagt Karl Eller.

Das Brot als einer der wichtigsten Grundnahrungsmittel wurde früher religiös verehrt. Eller: „Die Menschen lebten noch mit der Natur. Sie waren dieser aber auch ausgeliefert. Alles, was von der Natur kam, wurde als besonderes Geschenk betrachtet“, so Eller. Mit vielen Traditionen und Ritualen wollten die Menschen ihren Respekt und ihren Dank ausdrücken und der Natur symbolisch etwas zurückgeben. Beispielsweise wurde am Acker oft eine letzte Ähre stehen gelassen. Auch die Brösel wurden vielerorts gesammelt, um sie am Ende des Jahres den vier Elementen zurückzugeben.

Wer jetzt an Bauernromantik denkt, liege laut Eller falsch. „Speziell in Tirol war es ein unglaublich karges Leben und ein täglicher Kampf mit der Natur. Bis 1947 gab es noch in jedem Jahr in mindestens einer Tiroler Region eine Hungersnot. Einen Durchschnittstag von damals könnte man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, sagt Eller.

Das perfekte Brot?

Obwohl sich wohl kein Tiroler beim Brot besser auskennt als der Innsbrucker, deklariert er das beste Brot Tirols nicht für sich: „Ich behaupte überhaupt nicht, dass ich das beste Brot Tirols backen kann. Sehr oft misslingt mir auch eines, weil ich grundsätzlich viel herumexperimentiere. Aber: Egal, wie es am Ende schmeckt. Ich esse es immer auf.“

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Karl Eller experimentiert gerne – nicht immer mit Erfolg

Für passionierte Hobbybäcker hat er dennoch „Fünf goldene Backregeln“ entwickelt. Hält man sich daran, gelingt das Brot so gut wie sicher:

  1. Teigtemperatur kühl halten: Eine Zimmertemperatur von 20 Grad ist ideal. Dadurch wird die Wirksamkeit der Hefe reduziert und kann sich erst in der Backphase richtig entfalten.
  2. Intensive Teigknetung: Erst dann kann sich der sogenannte „Kleber“ (Eiweißstoff) gut entwickeln. Küchenmaschinen reichen in der Regel nicht aus, um Weizen- und Weizenmischbrotteige intensiv genug zu bearbeiten.
  3. Teigruhe einhalten: Eineinhalb bis zwei Stunden werden empfohlen. Nach 45 Minuten den Teig noch einmal durchkneten und damit die Luft herausdrücken.
  4. Zweite Teigruhe nach der Formgebung: Bereits in Form benötigt der Teig erneut Ruhe – und zwar 20 bis 30 Minuten.
  5. Der richtige Backofen: Backrohr mit 210 bis 220 Grad vorheizen. Brot und Gebäck entwickelt sich am besten, wenn es zu Beginn mit einer „scharfen“ Hitze konfrontiert werden.