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Verkehr

Ärger in Tirol über Ja zur Eurovignette

Nach dem knappen Ja zur geplanten Eurovignette bei einer ersten informellen Abstimmung im EU-Verkehrsausschuss am Montag hat in Tirol Ärger und Enttäuschung geherrscht. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach in einer ersten Reaktion am Dienstag von einer rückwärtsgewandten Politik.

Österreich und vor allem Tirol befürchten, dass mit der Eurovignette noch mehr Lkws als bisher durch Tirol fahren werden. Anreize für eine Verlagerung der Lkws auf die Schiene würden in dem Entwurf nämlich fehlen.

Noch weniger Güter auf der Schiene

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erklärte am Dienstag in einer ersten Stellungnahme in ORF Radio Tirol: „Die Vorabstimmung im EU Verkehrsausschuss ist eine herbe Enttäuschung, denn das bedeutet, dass noch weniger Güter auf die Schiene verlagert werden. Es bedeutet aber auch, dass es gegen die Interessen der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist. Deshalb wird man jetzt weitere Schritte unternehmen müssen.“

Es sei eine ewig-gestrige Transitpolitik, die hier gemacht werde. Man werde hier noch Lobbying machen müssen. „Aber in der Zwischenzeit wird man auch akzeptieren müssen, dass wir uns selber wehren. Wir werden noch mehr Blockabfertigungen machen müssen. Das werden die Nachbarstaaten akzeptieren müssen. Wenn man immer gegen die Interessen der Bevölkerung arbeitet, braucht man sich auch nicht wundern, wenn sich die Bevölkerung von der EU verlassen fühlt“, so Platter.

Deshalb sei diese Abstimmung eine Enttäuschung. Er hoffe aber dennoch, dass diese Richtlinien im Herbst nicht in dieser Form erlassen werden.

Viadukt mit Güterzug
OEBB/David Payr
Soll der Güterverkehr auf der Bahn mehr werden oder bleibt er auf der Straße? Um diese zentrale Frage dreht sich seit Jahrzehnten die Verkehrspolitik in Tirol.

Immer noch mehr Transitverkehr

„Wir nehmen in Tirol wahr, dass der Transitverkehr auf der Straße weiter steigt. Wenn es die EU hier zulässt, dass die Verlagerung von der Straße auf die Schiene nicht oder noch weniger funktioniert als bisher und mehr Lkws durch Tirol donnern, dann müssen wir eben wieder vermehrt Blockabfertigungen vornehmen. Dagegen wird immer wieder interveniert, aber wenn man nicht eine gemeinsame, vernünftige Transit- und Verkehrspolitik macht, braucht man sich nicht wundern, wenn ein Land sagt, so geht es nicht mehr.“

Eigentlich sei die Europäische Union der wichtigste Partner beim Bau des Brennerbasistunnels (BBT), andererseits brauche es aber auch steuernde Maßnahmen. „Das muss durch eine vernünftige Wegekostenrichtlinie geschehen. Und das heißt einfach Folgendes: Es müssen die Güter auf der Straße teurer werden und auf der Schiene billiger.“

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Als eine herbe Enttäuschung bezeichnete auch Tirols Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) die informelle Abstimmung. Letztlich sei sie aber noch nicht bindend und auch nicht endgültig. Es muss im September im EU-Rat und im Parlament noch einmal behandelt werden. „Wir werden bis dahin ganz sicher nicht ruhen und alle politischen und diplomatischen Ebenen bemühen, um diese Mehrheiten noch zu verändern.“

Das Ziel, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sei nicht nur für die transitgeplagte Bevölkerung in Tirol wichtig, sondern sei auch eine Aussage darüber, wie schwer der „Green Deal“ wiege und wie ernst es die Europäische Union mit dem Klimaschutz nehme.

Keine Zustimmung zum Entwurf

Österreichs Mobilitäts- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
(Grüne) behält es sich vor, die Abstimmung, wenn notwendig, auch zu blockieren. „Der derzeitige Vorschlag sieht vor, dass alle Länder am Korridor zustimmen müssen. Und das wäre ein De-facto-Veto. Das ist ein Punkt, um den es uns ganz zentral geht. Diese Position bringe ich auch in allen Gesprächen immer wieder ein. Darauf werden wir auch hinarbeiten, dass es hier Verständnis gibt.“

Vetorecht nutzen und Dosiersystem schaffen

Genau dieses Vetorecht forderte am Dienstag auch das Transitforum Austria Tirol ein. Davon müsse Österreich Gebrauch machen. „Von Nachverhandlungen halten wir überhaupt nichts mehr, das ist seit 26 Jahren ein Pfusch“, kommentierte Transitforum Obmann Fritz
Gurgiser am Dienstag. „Es geht nicht nur um Tirol, sondern um den europäischen Güterverkehr im Jahr der Bahn, wo man die Bahn begraben will. Jetzt muss man die Zeit nutzen und sagen Schluss mit dem ganzen Firlefanz. Wir haben die Eurovignette, die hinten und vorne nicht passt, wir haben Lenker-Lohnsklaven und wir haben ein Diesel-Dumping. Hier muss man jetzt eine Entscheidung treffen. Wollen wir den Güterverkehr auf ein normales Maß reduzieren oder wollen wir die Anrainer im gesamten transeuropäischen Netz in Geiselhaft einiger Lobbyisten nehmen.“ Tirol habe am Brenner eine Schlüsselstelle, und die werde massiv helfen, denn man könne durch begrenzte Täler nicht mehr Verkehr pressen, als Platz habe.

Das Transitforum Austria Tirol verlangt von der Tiroler Politik nicht nur Blockabfertigungen – denn die seien allein zu wenig –, sondern ein Dosiersystem, das von Rosenheim bis Verona für den Bereich der Alpenkonvention gilt. Man müsse das endlich miteinander auf zeitgemäße Art lösen.

Auch Oppositionsparteien in Tirol gegen Eurovignette

Die FPÖ-Verkehrssprecherin im Tiroler Landtag, Evelyn Achhorner meinte in einer Aussendung, Österreich und Tirol dürften sich nicht nur als Opfer inszenieren, man müsse der EU auch Alternativen und Lösungen anbieten. Der schwarz-grünen Landesregierung wirft sie vor, die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene immer nur gefordert, aber nie in die Tat umgesetzt zu haben.

Der Verkehrssprecher von NEOS in Tirol, Andreas Leitgeb, befürchtet, dass die Bevölkerung mit der EU-Wegekostenrichtlinie noch mehr Verkehr als bisher erdulden müsse und keine Handhabe mehr bei einer Bemautung habe. Im Herbst ende die Galgenfrist, es brauche entschlossenes Handeln von Land und Bund, um den EU-Vorschlag noch abzuändern, so Leitgeb.