Der Intendant des Tiroler Landestheaters, Johannes Reitmeier
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Kultur

TLT-Intendant kritisiert späte Kulturöffnung

Der Intendant des Tiroler Landestheaters, Johannes Reitmeier, kritisierte im APA-Interview die seiner Ansicht nach verspätete Öffnung der Kulturstätten im Zuge der Lockerungen. Er plädierte dafür, dass die Kultur nicht wieder geschlossen werden dürfe.

Wie Johannes Reitmeier betonte, dürfe die Kultur auch im Falle steigender Infektionszahlen im Herbst nicht wieder in einen Lockdown gehen: „Wenn die nächste Welle beherrschbar ist, möchten wir sie mitbeherrschen dürfen“, sagte er und verwies auf „ausgeklügelte Hygienekonzepte“. Diese Forderung habe er auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegenüber geäußert, der ihm zugestimmt habe, so Reitmeier.

Ende Mai hatten er und andere Tiroler Kulturschaffenden sich mit dem Kanzler über die Praxistauglichkeit der aktuellen Covid-19-Öffnungsverordnung ausgetauscht. „Wir konnten guten Gewissens öffnen“, versicherte Reitmeier. Auf die knapp zwei Wochen seit der Kulturöffnung am 19. Mai blicke er mit Freude zurück. Er sei ein „glücklicher Intendant“, das Publikum komme und Maßnahmen hätten sich bewährt. „Das Warten hat sich gelohnt“. Er rechne aber damit, das strenge Hygienekonzepte noch weiterhin bestehen werden – „zumindest bis zum Ende der Saison“. Für die kommende Spielzeit gehe das Tiroler Landestheater von einer möglichen Vollbesetzung aus. Man hoffe, unter normalen Bedingungen spielen zu können.

Landestheater innen
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Das Tiroler Landestheater war lange Zeit geschlossen

Krise als „größte Herausforderung“

Die Pandemie bezeichnete Reitmeier als „zweifelsohne die größte Herausforderung“ seines insgesamt 27-jährigen Intendantendaseins. Durch die Krise bedingte Kollateralschäden sah der Intendant im Hinblick auf sein Haus weniger im wirtschaftlichen Bereich – institutionalisierte Kulturbetriebe konnten schließlich durch wirtschaftliche Hilfen Direktschäden begrenzen. „Wir haben uns glücklicherweise gut erholt“, konstatierte der TLT-Intendant.

Andere seien wesentlich stärker betroffen, etwa jene, „die in irgendeiner Form freiberuflich im Kulturbereich tätig sind“. Diese hätten eine „existenzbedrohende“ Zeit hinter sich. „Das wird ganz bestimmt Lücken hinterlassen“. Diesbezüglich sah er einen drohenden „Diversitätsverlust“ – auch „im Sinne einer Verödung des Angebots“. Man dürfe jetzt nicht Gefahr laufen, „nur noch auf der kommerziellen Schiene zu fahren“, um „auf Biegen und Brechen“ die Häuser voll zu bekommen. Zum Glück seien die Medien und Feuilletons in dieser Hinsicht „aufmerksame Wächter“ – er fühle sich „ermutigt“, "an seinen Auftrag erinnert und „gut reguliert“.

Tiroler Landestheater Säulen
Angela Braster Art
Das Große Haus ist seit Ende Mai wegen Sanierungsmaßnahmen wieder zugesperrt

„Vertrösten“ und keine Planungssicherheit

Kritik vonseiten Kulturschaffender an den Coronamaßnahmen war für ihn in vielen Fällen „nachvollziehbar“. Er selbst habe immer wieder „eingestimmt – entweder persönlich für dieses Theater sprechend oder gemeinsam mit dem Österreichischen Theaterverband oder der Gruppe österreichischer Intendantinnen und Intendanten“.

Das größte Problem sei die fehlende Planungssicherheit gewesen, so Reitmeier. „Wir wurden immer wieder vertröstet, Versprechen wurden nicht eingelöst“. Dass „die staatlichen Institutionen sich nach Kräften bemüht haben“ stehe für ihn aber dennoch „außer Zweifel“. Im internationalen Vergleich stellte der Landestheater-Chef Österreich ein gutes Zeugnis aus: „Im Vergleich zu Deutschland würde ich meiner Wahlheimat Österreich den Vorzug geben“, meinte Reitmeier augenzwinkernd, das würden auch viele seiner deutschen Kolleginnen und Kollegen so sehen.

Verschobene Produktionen werden aufgeteilt

Die pandemiebedingt verschobenen Produktionen werden auf die zwei kommenden Spielzeiten aufgeteilt, informierte der 58-Jährige, denn „es müssen auch Überraschungen bleiben“. Das in Kooperation mit den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB) während des Lockdowns eingerichtete Streamingportal werde auf jeden Fall noch bis Herbst weiter bestehen. Dort sind kostenlose Streams unterschiedlicher Produktionen abrufbar.

Für Reitmeier ist das digitale Angebot aber allenfalls eine „Ergänzung des unmittelbaren Liveerlebnisses“. Vor der Amtsübergabe an seinen Nachfolger wolle er jedenfalls „alle Folgen der Coronakrise aktiv mit meinen Kolleginnen und Kollegen beheben und aufarbeiten“, sagte Reitmeier. Seit 2012 als geschäftsführender Intendant tätig, hatte er Anfang letzten Jahres angekündigt, seine Verantwortungsbereiche am Ende der Spielzeit 2022/2023 abzugeben.