Ausgrabungsstätte Su-re im tibetischen Hochland
Luke Gliganic
Luke Gliganic
Wissenschaft

Gespeichertes Licht erhellt Tibets Geschichte

Innsbrucker Forscher haben die ältesten Spuren von Menschen in der südlichen tibetischen Hochebene entdeckt. Die Funde sind zwischen 5.200 und 5.500 Jahre alt. Die Datierung erfolgte mit einer neuen Form der Lichtsignal-Messung, die es erlaubt, in Steinen das über Jahrtausende gespeicherte Licht zu messen.

Die Funde aus einer Ausgrabungsstätte sind zwischen 5.200 und 5.500 Jahre alt, berichten die Wissenschafter im Fachblatt „Science Advances“. Mit ihrer Methode wird es erstmals möglich, prähistorische Steinwerkzeuge direkt zu datieren.

Beprobung der Oberflächenartefakte unter schwarzer lichtundurchlässiger Abdeckplane.
Michael Meyer
Feldarbeit vor Ort in Tibet: Beprobung der Oberflächenartefakte unter schwarzer lichtundurchlässiger Abdeckplane

Schon bisher ist die Datierung mittels „Optisch Stimulierter Lumineszenz“ (OSL) ein wichtiges Werkzeug zur Altersbestimmung in der Archäologie und den Erdwissenschaften. Gemessen wird dabei vereinfacht gesagt gespeichertes Licht – konkret die im Kristallgitter gespeicherte Energie der natürlichen radioaktiven Hintergrundstrahlung, die sich im Laufe der Zeit in Sandkörnern aus Quarz und Feldspat anreichert. Beleuchtet man solche Proben mit Licht einer bestimmten Wellenlänge, geben sie selbst Licht ab, das man messen kann.

Michael Meyer im OSL-Labor
Robbie Shone
Michael Meyer bei seiner Arbeit im Innsbrucker OSL-Labor, wo ausschließlich unter Rotlicht gearbeitet wird

„Jedes Korn wird so zu einer winzigen Uhr, die sich unter kontrollierten Laborbedingungen ablesen lässt“, so Michael Meyer, Leiter des Lumineszenz-Labors am Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Misst man das Alter von Quarz- und Feldspatkörnern aus einer bestimmten Schicht, in der archäologische Funde entdeckt wurden, kann so auf deren Alter geschlossen werden.

Zeitpunkt ab dem Werkzeug nicht mehr benutzt wurde

In der aktuellen Studie haben sich die Forscher nicht auf Sandkörner, sondern auf die Oberflächen archäologischer Steinfunde konzentriert. Beim sogenannten „Rock Surface Burial Dating“ bestimmen sie dabei jenen Zeitpunkt, zu dem das jeweilige Fundstück vom Menschen nicht mehr benutzt wurde.

Wenn ein Stein für längere Zeit dem Tageslicht ausgesetzt, also etwa ein Steinwerkzeug vom Menschen hergestellt und verwendet wird, unterscheidet sich das Lumineszenz-Signal zwischen seinem Inneren, das nie die Sonne gesehen hat, und dessen Oberfläche. Denn das Sonnenlicht bringt die Elektronen dazu, ihr höheres Energieniveau wieder zu verlassen. „Typischerweise dringt das Licht relativ rasch mehrere Millimeter bis Zentimeter tief in viele Gesteinsarten ein“, erklärte Meyer gegenüber der APA.

Weggeworfenes wird von Licht teilweise abgeschirmt

Wird das Steinwerkzeug nicht mehr verwendet und weggeworfen, wird zumindest seine Unterseite wieder vor Sonnenlicht abgeschirmt und der Prozess der Energiespeicherung beginnt von Neuem. Indem die Forscher kleine Bohrkerne mit mehreren Zentimeter Länge und weniger als einem Zentimeter Durchmesser aus einem Fund entnehmen können sie ein durchgehendes Alters-Tiefenprofil erstellen und feststellen, ab wann das Werkzeug nicht mehr verwendet wurde.

Bisher war es laut Meyer nicht möglich, Steinwerkzeuge und die bei ihrer Herstellung entstehenden Abschlagsplitter direkt zu datieren. Vielmehr stellte man ihr Alter über das in der Fundschicht vorhandene organische Material fest, etwa mittels Radiokarbon-Methode. „Mit der Weiterentwicklung der Lumineszenz-Methode können wir nun erstmals genaue, direkte Datierungen von Steinartefakten vornehmen“, so Meyer.

Steinzeitliche Werkstätte

In der aktuellen Studie haben die Forscher das Alter von an der Oberfläche entdeckten Bearbeitungsresten einer Art steinzeitlichen Werkstätte bestimmt, die von der Ausgrabungsstätte Su-re im Süden der Tibetischen Hochebene auf einer Höhe von 4.450 Metern stammen. Große natürlich auftretende Quarzit-Blöcke lieferten dort den Rohstoff für Steinwerkzeuge.

Ausgrabungsstätte Su-re im tibetischen Hochland
Luke Gliganic
Tibet wurde aufgrund der extremen Bedingungen sehr spät besiedelt

Das Hochland von Tibet gilt aufgrund seiner extremen Umwelt- und Klimabedingungen als jene Region der Erde, die als letzte von Menschen besiedelt wurde. Wann genau dies passierte, sorgt seit Jahren für Diskussionen. Meyer hat 2017 mit einem Bündel an verschiedenen Methoden Fuß- und Handabdrücke in Kalkablagerungen von heißen Quellen im zentralen Teil des tibetischen Hochplateaus auf ein Alter zwischen 8.000 und 12.000 Jahren datiert.

Älteste Spuren menschlicher Präsenz

Die Analysen der Steinwerkzeuge aus Süd-Tibet ergaben nun ein Alter zwischen 5.200 und 5.500 Jahren. Damit handelt es sich um die ältesten Spuren menschlicher Präsenz in der südlichen tibetischen Hochebene. Meyer sieht in der neuen Methode viel Potenzial und geht davon aus, dass sie neue Erkenntnisse in vielen anderen archäologischen Untersuchungen und Ausgrabungsstätten weltweit ermöglichen wird.