HG Lab Truck
Land Tirol
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Chronik

Fragwürdiges Netzwerk um HG Lab Truck

Immer noch stellt sich in Tirol die Frage, wie der millionenschwere Vertrag zwischen dem Land Tirol und der HG Lab Truck ohne Ausschreibung zustande gekommen ist. Eine gemeinsame Recherche der Tageszeitung „Der Standard“ und des ORF Tirol zeigte, dass es Warnsignale zu den Beteiligten gegeben hätte. Kontrollen gab es aber offenbar keine.

Im Herbst 2020 wurde die Zusammenarbeit mit der HG Lab Truck voller Stolz präsentiert: ein Labor auf vier Rädern, das 4.000 PCR-Tests täglich auswerten kann.

Bilanz der HG Lab Truck

Die HG Lab Truck führte in Tirol bisher 300.000 PCR-Tests durch, dafür erhielt die Firma vom Land 11,8 Millionen Euro. Unklar ist, ob alle rechtlichen Schritte wie die Aufsicht durch einen Labormediziner bei den Befundungen eingehalten wurden.

Mittlerweile ist das Image ramponiert. Gegen den Gründer und Urologen Ralf Herwig laufen mehrere Verfahren wegen fragwürdiger Behandlungen, die Ärztekammer hat ein vorläufiges Berufsverbot gegen ihn verhängt – mehr dazu in Prozess gegen Herwig abberaumt. Mit PCR-Tests hatte Herwig bis zum Herbst nichts zu tun – trotzdem konnte der Urologe offenbar politische Entscheidungsträger von seinem mobilen Testlabor und dem damit einhergehenden Millionengeschäft überzeugen.

HG Lab Truck
ORF
Das Mobil auf Rädern galt als Hightech-Labor

Verwandter Unternehmer als Vermittler

Werbung für die Idee beim Land Tirol machte der Kirchberger Unternehmer Hanspeter Rass. Er ist der Schwager Herwigs. Als Vermittler legte er den Grundstein für den millionenschweren Deal. Gegründet wurde die HG Lab Truck nämlich erst nach dem Vertragsabschluss mit dem Land.

Auf Nachfrage bestätigte Rass, dass er zwischen Land und Firma vermittelte, er sagte auch ein Interview zu. Anschließend war er allerdings weder für den „Standard“ noch für den ORF Tirol erreichbar. Online bezeichnet sich Rass als „Manager“, in Broschüren und auf Websites wird er gemeinsam mit Herwig als Ansprechperson genannt.

Unternehmerische Vergangenheit als Warnzeichen

Eine kurze Nachfrage beim Kreditschutzverband hätte dem Land mögliche Warnsignale zu dem Unternehmer geliefert: Rass und seine Ehefrau haben 1,2 Millionen Euro Schulden, drei gelöschte Gesellschaften, zwei Insolvenzverfahren. Der Kreditschutzverband sieht zu den Insolvenzen in der Vergangenheit viele offene Fragen, er ortete, „dass mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse mit ein Grund für die Insolvenzen sein könnten“. Eine Aussage, die mögliche künftige Geschäftspartner wie das Land Tirol stutzig machen sollte.

Günther Platter und HG Pharma-Chef Ralf Herwig stehen vor einem Lab Truck
APA/Land Tirol/Gerhard Berger
Beim Land Tirol überwog die Freude über das Tiroler Labor die möglichen Bedenken

Der Bruder von Hanspeter Rass, Eventmanager Thomas Rass, erklärte auf Anfrage, er habe nie etwas mit der HG Lab Truck zu tun gehabt. Dem widerspricht der Kitzbühler Bürgermeister: Thomas Rass habe die Zusammenarbeit zwischen Kitzbühel und der HG Lab Truck hergestellt. Auch Mitarbeiter der Screeningstraße in Kitzbühel bezeugten, dass Thomas Rass dort immer wieder Proben für die HG Lab Truck abholte.

Vorgeschichte in Kitzbühel

Denn auch in Kitzbühel wertet die HG Lab Truck die PCR-Tests aus, die Stadt Kitzbühel vermietete an die Firma leerstehende Räume im ehemaligen Krankenhaus. Dieser Vertrag geht noch bis Ende November. Dabei ist Herwig in Kitzbühel kein Unbekannter: Er war im ehemaligen Krankenhaus tätig, dort soll er nicht zugelassene Infusionen an Krebspatienten verabreicht haben.

Dienstanweisungen und eine Anfrage an die Ethikkommission dazu liegen dem ORF Tirol und dem „Standard“ vor. Die Zusammenarbeit wurde beendet. Ein paar Jahre später klagten er und seine Frau das Krankenhaus und damit die Stadt. Der Kitzbüheler Bürgermeister Klaus Winkler hatte trotz dieser Vorgeschichte keine Bedenken zu der HG Lab Truck.

Man habe im Spätsommer viele und vor allem schnellere Tests gebraucht, so Winkler, damit wollte man auch den Wintertourismus retten. Dass Herwig für ihn kein Unbekannter war, bestritt Winkler nicht, er wolle „die Person Ralf Herwig“ aber nicht kommentieren. Entscheidend sei für ihn im Herbst gewesen, dass der Vertrag mit dem Land Tirol schon zuvor abgeschlossen wurde. Winkler sei deshalb davon ausgegangen, dass das Land die Firma und die Beteiligten überprüft habe.

Große Freude, keine Kontrollen

Das ist offenbar nicht passiert. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Beteiligten in Tirol keine Unbekannten waren, sie sind in der Wirtschaft gut vernetzt. Dass die HG Lab Truck erst im Herbst gegründet wurde, weckte beim Land kein Misstrauen. Man sei damals froh gewesen, dass man eine Tiroler Lösung gefunden habe, die viele Tests innerhalb kurzer Zeit erledigen könne, hieß es vom Land.

Lab Truck von HG Pharma,
ORF
Auf dem Truck sind die Partnerfirmen noch zu sehen, eine Zusammenarbeit gibt es nicht mehr

Viel verbrannte Erde bei Geschäftspartnern

3.500 PCR-Tests pro Tag und ein Ergebnis innerhalb von zehn Stunden: Diese vertraglich vereinbarten Bedingungen konnten Ralf Herwig und die HG Lab Truck nur mit ihren Geschäftspartnern erfüllen. Sowohl die Firma Procomcure als auch die Firma Vitavo haben die Zusammenarbeit mit der HG Lab Truck mittlerweile aber beendet. Es gebe zahlreiche nicht beglichene Rechnungen, beide Firmen planen rechtliche Schritte.

Herwig bestreitet die offenen Forderungen, ein Interview wollte er nicht geben. Der Fall liegt mittlerweile bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Sie prüft, ob ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Betruges einzuleiten ist. Auch der Landesrechnungshof prüft die Vorgänge um die PCR-Tests.