Pinguin auf Schnee
APA/AFP
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Wissenschaft

Erkenntnisse zum Antarktis-Eis aus Tirol

Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung einer Innsbrucker Meteorologin hat neue Erkenntnisse zur Schmelze des Schelfeises in der Antarktis gewonnen. Das Verständnis dieser Vorgänge ist für die Beurteilung des Meeresspiegelanstiegs von großer Bedeutung.

Erst vor wenigen Tagen brach der größte bisher beobachtete Eisberg vom Filchner-Ronne-Schelfeis ab. 4.300 Quadratkilometer lösten sich von diesem fast eine halbe Million Quadratkilometer umfassenden Schelfeisbereich ab. Schelfeise entstehen, wenn Gletscher über die Küste hinaus fließen und so auf dem Meer schwimmen, aber noch mit dem Land verbunden sind.

Der bisher größte Eisberg, Satellitenbild
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Der in jüngster Zeit abgebrochene riesige Eisberg ist größer als die Insel Mallorca

Wärmerer Ozean kann Schelfeis zum Schmelzen bringen

„Schelfeise stabilisieren den antarktischen Eisschild und begrenzen somit den Beitrag der Antarktis zum Anstieg des Meeresspiegels, aber ein sich erwärmender Ozean kann zu raschem Abschmelzen an der Unterseite des Schelfeises, dem sogenannten basalen Schmelzen, führen, was mittelfristig eine Destabilisierung des Eisschildes zur Folge hätte“, erklärt die Meteorologin Elisabeth Schlosser vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck.

Vorherrschende Windrichtungen haben großen Einfluss

Gemeinsam mit Tore Hattermann vom Norwegischen Polarinstitut und seinem internationalen Team hat die Polarforscherin in der aktuellen Studie die Auswirkungen atmosphärischer Bedingungen auf die Meereszirkulation am Filchner-Ronne-Schelfeis untersucht. Mehrjährige Messreihen mit Daten aus insgesamt fünf Heißwasserbohrungen durch das Schelfeis lieferten dazu die Grundlage.

Die ozeanische Zirkulation unter den Schelfeisen ist extrem komplex, aber ausschlaggebend dafür, wie sich deren Wachstum oder Abschmelzen entwickelt. „Wichtig ist hier der Faktor Salz: Salz kann beim Gefrieren von Meerwasser nicht in den Eiskristallen eingebaut werden, sondern wird nach unten ausgeschieden, was zur Bildung von stark salzigem und kaltem Wasser führt, das somit sehr schwer ist und absinkt. Die Meereisbildung nördlich des Schelfeises führt so zu einer Intensivierung der Zirkulation im Ozean. Südliche Winde können das frische Meereis nach Norden transportieren, wobei freie Wasserflächen entstehen, an denen wiederum Meereis gebildet wird“, erklärt Schlosser.

Das Meereis ist laut der Forscherin das verbindende Glied zwischen Ozean und Atmosphäre: Die Messungen haben gezeigt, dass während Perioden mit verstärkten südlichen Winden und dadurch erhöhter Meereisproduktion die Zirkulation unter dem Schelfeis das Einfließen von warmem Wasser blockierte. Weniger Meereisbildung bei eher nördlichen Winden hätte dementsprechend den gegenteiligen Effekt, so die Wissenschaftlerin: „Die Bildung von weniger Meereis würde umgekehrt das Einfließen von relativ warmem Meerwasser ermöglichen – und hätte damit ein verstärktes basales Abschmelzen des Schelfeises zur Folge.“

Derzeitige Klimamodelle lassen noch keine Folgerungen zu

Dieser durch die atmosphärische Zirkulation bedingte Effekt kommt auch dann zum Tragen, wenn sich das Klima generell erwärmt, wie Elisabeth Schlosser betont. „Die derzeitigen Klimamodelle sind noch nicht in der Lage, die großräumige atmosphärische Zirkulation so genau zu berechnen, dass man auch die Folgen für das Schelfeis beurteilen könnte. Die neue Studie liefert jedoch erstmals einen Mechanismus, mit dem das Abschmelzen des Schelfeises beurteilt werden kann, sobald die atmosphärischen Berechnungen vorliegen.“