Erneuerbare Energiequellen gewinnen europaweit an Bedeutung, die neuen Technologien führen aber auch zu Konflikten. Windkraftanlagen etwa stellen für Vögel und Fledermäuse eine Gefahr dar: Direkte Kollisionen oder Verletzungen der inneren Organe durch schnelle Wechsel des Luftdrucks führen zu sogenannten Schlagopfern. Zahlreiche wissenschaftliche Projekte arbeiten daran, die Zahl solcher verwundeter Tiere so gering wie möglich zu halten und somit den Einsatz erneuerbarer Energie mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen. Ein solches Projekt ist „NatForWINSENT II“ mit Forscherinnen und Forschern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Es wird vom deutschen Bundesamt für Naturschutz gefördert.
Tiroler tüfteln an Kamera-System
Für das Projekt steht den Forscherinnen und Forschern auf der Schwäbischen Alb (Süddeutschland) ein eigenes Windenergietestfeld mit zwei Windkraftanlagen zur Verfügung steht. In Tirol sind Klaus Hochradel und Christof Happ vom Institut für Mess-und Sensortechnik der UMIT am Projekt beteiligt. Die zwei Forscher arbeiten an einem Kamerasystem, um Schlagopfer rund um Windkraftanlagen automatisiert zu detektieren, speziell im Fokus haben sie dabei den in der Schwäbischen Alb vorkommenden und geschützten Rotmilan.

„Computer Vision“ erkennt Flugtiere
Um neue Vermeidungsmaßnahmen für Windkraftanlagen zu validieren, erfolge derzeit nur über die Suche nach etwaigen Schlagopfern durch Menschen oder Hunde, wie die Wissenschaftler erklärten – das ist zeitaufwendig und teuer. Das geplante Kamerasystem sieht daher für die Nacht eine Wärmebildkamera vor, für den Tag eine mit Filtern bestückte optische Kamera für den nahen Infrarotbereich. Damit können tagaktive Vögel wie der Rotmilan erfasst werden.
Für die automatische Erkennung braucht es einen hohen Kontrast. Um die besten Filter für den größtmöglichen Kontrast auszuwählen, vermessen die Forscher das Gefieder von Vögeln mittels Spektrometer, um deren reflektive Eigenschaften zu charakterisieren. Unterstützt werden sie von Tierpräparator Peter Morass, der die naturwissenschaftlichen Sammlungen im Forschungszentrum Hall leitet, einer Dependance des Tiroler Landesmuseums Ferdinadeum. Er stellt den Forschern gefiederte Präparate zur Verfügung.

Die Forscher suchen nach bestimmten Eigenschaften von Hintergrund – also etwa Vegetation oder Wegen – und Vogel und erhalten so ein computergeneriertes Bild, das dem Idealkontrast schwarz-weiß so nahe wie möglich kommt. Die Idee ist es, zukünftig Vögel am Boden rund um eine Anlage zu detektieren. Dann soll mit Hilfe von bestimmten Parametern analysiert werden, ob es sich um einen Vogel handelt, der sich nur am Boden ausruht, oder um einen, der durch die Windräder verletzt wurde und der einer gezielten Begehung und genaueren Untersuchung bedarf.
Bestehende Schutzmaßnahmen werden überprüft
Getestet wird der „Prototyp eines Validierungssystems“ auf der schwäbischen Alb. Ist er erfolgreich, können damit an der Testanlage neuartige Vermeidungsmaßnahmen analysiert und verglichen werden. „Wir werden aber auch bei bestehenden Anlagen zeigen können, ob Schutzmaßnahmen nach fünf, zehn Jahren noch funktionieren. Oder ob sich etwa klimabedingt Jahre nach der Inbetriebnahme unter Schutz stehende Vögel rund um eine Windkraftanlage ansiedeln“, nannte Klaus Hochradel weitere Nutzen des UMIT-Projekts. Das System soll vor allem Vögel erkennen, die unter Naturschutz stehen, aber auch anderen Flugtieren nützen.