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Wissenschaft

Hilfe für Kinder von psychisch Erkrankten

Ein Tiroler Forschungsprojekt untersucht, wie man Kinder mit psychisch erkrankten Eltern am besten unterstützen kann. Sie haben ein hohes Risiko, selbst einmal psychisch krank zu werden. Ziel ist es, ein Unterstützungsnetzwerk für diese Kinder aufzubauen.

Das vierjährige Forschungsprojekt von Medizinuniversität Innsbruck und Ludwig Boltzmann Gesellschaft zielt darauf ab, ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von Familien mit psychischen Erkrankungen zu erhalten.

Alex Hofer
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Psychiater Alex Hofer

Hohes Risiko, selbst zu erkranken

„Das große Problem ist auf der einen Seite dass wir fürchten müssen, dass diese Kinder selber erkranken", sagte der Psychiater und Leiter der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie, Alex Hofer. Zum Beispiel ein Kind mit einem depressiven Elternteil könne selbst so eine Symptomatik entwickeln. Zum anderen komme es oft zu einem Rollentausch, bei dem sich die Kinder dann um die Eltern kümmern müssen.

Aus internationalen Studien wisse man, dass etwa 25 Prozent der Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil aufwachsen. Psychische Krankheiten sind noch immer ein Tabu und in vielen Familien ist große Angst damit verbunden, sagte Jean Paul, die Projektleiterin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Ziel des Forschungsprojektes sei es daher herauszufinden, welche Unterstützung den Familien hilft und warum, so Paul.

Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen

Das Projekt nennt sich „Village“ – frei nach dem afrikanischen Sprichwort „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen". „Die Grundidee ist, dass man das Umfeld, das schon vorhanden ist, an einen Tisch bringt und dort einfach klärt, wo ist Hilfe notwendig und angebracht und wer kann diese Hilfe übernehmen“, so Alex Hofer, Psychiater und Leiter der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie.

"Das ist zum Beispiel: Wer kann das Kind unterstützen, wenn es zum Sportunterricht will oder wer kann dem Kind bei den Hausübungen helfen, wenn es gerade die Mutter oder der Vater nicht kann. Gibt es eine andere Familie, wo das Kind einmal hin kann, um dort mit anderen Kindern zu spielen?“, sagte Alex Hofer.

Familien werden sechs Monate begleitet

Das Forschungsprojekt hat im Frühjahr 2018 begonnen. Zu Beginn wurden Forschungsinstrumente entwickelt, um die Bedürfnisse der Kinder von psychisch erkrankten Eltern zu erfassen und auch das Angebot vorhandener Unterstützungsmöglichkeiten evaluiert. Hauptteil des Projektes ist derzeit die Arbeit mit betroffenen Familien, bei der verschiedene Hilfsinstrumente ausprobiert werden.

Frau mit Maske, Frau von hinten
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Claudia Mauracher arbeitet für das „Village“-Projekt. Gemeinsam werde geschaut, wo die Familie Unterstützung braucht und welche Wünsche und Bedürfnisse die Kinder haben.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei darauf, für die Kinder ein Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Mehrere Koordinatoren, die die Familien jeweils sechs Monate lang begleiten, helfen dabei. „Die wichtigste Arbeit ist die Beziehungsarbeit", so Claudia Mauracher, Sozialarbeiterin und eine der Koordinatorinnen im „Village“-Projekt. "Die Kinder sind im Fokus. Man schaut, was sind die Bedürfnisse, die Wünsche der Kinder. Wo braucht die Familie Unterstützung und dann redet man mit dem Umfeld, so Mauracher.

Teilnehmer werden noch gesucht

40 Familien haben sich bereits gemeldet und sind oder waren Teil des Forschungsprojektes. Bis Ende Mai läuft noch die sogenannte Rekrutierungsphase, in der sich psychisch Erkrankte mit einem oder mehreren Kindern zwischen 4 und 18 Jahren melden können. Informationen gibt es direkt beim „Village“-Team Tel. 0676 580 04 90. Mittels Fragebögen und Tiefeninterviews wird dann evaluiert, was die Familien als unterstützend empfunden haben und was nicht.

„Durch die sechsmonatige Begleitung habe ich gelernt zu sehen, wo ich Hilfe brauche und wen ich wann darum bitten kann“, schildert eine betroffene junge Mutter ihre Erfahrungen mit dem Projekt. „Meine Kinder haben – was noch wichtiger ist – einen Raum gefunden, in dem sie wahrgenommen werden und im Mittelpunkt stehen. Ich habe gelernt, mit meinen Kindern über die Krankheit zu reden und um Hilfe zu bitten. Damit ist es ist für mich jetzt selber nicht mehr so schlimm, dass ich die Krankheit habe“, erzählte die junge Frau.