Lab Truck von HG Pharma,
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Coronavirus

Große Zweifel an PCR-Tests von HG Pharma

Laut einem Bericht der Zeitung „Der Standard“ wird das Ergebnis von Hunderttausenden PCR-Tests in Tirol bezweifelt. Diese Tests führte die Wiener Firma HG Pharma durch. 50 Fälle haben sich bis dato nicht bestätigt. Die Opposition fordert personelle Konsequenzen, das Land verwies auf Qualitätsprüfungen.

Auf der Website wird der „Lab Truck“, der mobile PCR-Testbus der Wiener Firma HG Pharma, als die Lösung für Unternehmen und Institutionen angepriesen. Die HG Pharma mit ihrem Geschäftsführer, dem Wiener Urologen Ralf Herwig, ist derzeit der größte Kooperationspartner Tirols für PCR-Tests. Von den 430.000 Tests seit September wurde rund die Hälfte von der HG Pharma vorgenommen.

Am Konzept bzw. den Tests mehren sich allerdings Zweifel – sowohl fachlicher als auch technischer Natur, wie der „Standard“ berichtete. Die Vergabe des Auftrags durch das Land erfolgte damals ohne Ausschreibung. Die Oppositionsparteien Liste Fritz und FPÖ sprechen von einem Skandal – mehr dazu in PCR-Tests: Kritik an lukrativem Vertrag. Mindestens acht Millionen Euro nahm das Unternehmen bisher über die PCR-Tests ein.

Günther Platter und Ralf Herwig in LAB Truck
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LH Günther Platter besuchte den „Lab Truck“ von HG Pharma

Rund 50 Fluchtmutationsfälle bestätigten sich nicht

Wie am Dienstagbend bekanntwurde, stellte sich bei einer weiteren Überprüfung durch die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) heraus, dass bisher rund 50 Fälle der Fluchtmutation B1.1.7.-E484K in Tirol doch nicht dieser Virusvariante zuzuordnen sind. Die HG Pharma, die für das Land Tirol PCR-Tests auswertet, hatte die Vorsequenzierungen durchgeführt, um festzustellen, ob bei einer Probe ein Mutationsverdacht besteht. Manchmal würden rückwirkend Ergebnisse korrigiert – laut AGES ein „Standardprozedere“, hieß es am Dienstag zur APA – mehr dazu in Falsch positive Tests bei CoV-Variante.

Der Mutationsverdacht, der aufgrund der Vorsequenzierung bestehe, könne sich „im Rahmen der Sequenzierung bestätigen oder nicht bestätigen“. Der Grund für die falschen Ergebnisse wurde in der Definition eines gewissen Schwellenwertes benannt, der zur Erkennung der neuen Variante bei PCR-Verfahren angegeben werden müsse. Dieser Wert wurde vom Labor zu hoch angenommen. Noch habe man nicht alle Proben sequenziert, ein Ergebnis wurde – wie bereits am Montag angekündigt – für Ende der Woche erwartet. Insgesamt handelt es sich um 2.004 Fälle in Tirol im Zeitraum 8. März bis 24. April 2021.

Elmar Rizzoli, Leiter des Tiroler CoV-Einsatzstabes, erklärte am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Innsbrucker Landhaus, dass das Labor diese Schwellenwerte „aus Sicherheitsgründen eher hoch“ angelegt hatte. Er verteidigte zudem das unter Beschuss geratene Labor. Es gebe Bestätigungen von Referenzinstituten, „dass dieses Labor hier hervorragende Leistungen erbracht hat“, meinte er. Zudem sagte Rizzoli, dass die HG Pharma Mitte Jänner das erste Labor gewesen sei, das Mutationen in Tirol festgestellt habe. Rizzoli betonte zudem, dass es sich nicht um falsch positive Testergebnisse – also infiziert oder nicht infiziert – handle, sondern dass einfach die falsche Mutationsvariante angenommen wurde. Das habe für die infizierten Menschen keine Auswirkungen gehabt.

Personelle Konsequenzen gefordert

Schwere Schlamperei ortete Markus Sint (Liste Fritz) auch nach der Auftragsvergabe. Man hätte in Erfahrung bringen müssen, dass man hier mit Herwig mit jemandem arbeite, dem der Professorentitel aberkannt worden sei, der über keine Arbeitserlaubnis mehr verfüge und gegen den Vorwürfe der schweren Körperverletzung im Raum stünden – mehr dazu in Chef von Testfirma im Visier der Justiz. Den Vertrag habe ferner niemand zu Gesicht bekommen, bemängelte Liste-Fritz-Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider.

Sollte es zu Fehltestungen gekommen sein, dann müsse es personelle Konsequenzen von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) angefangen bis hin zu allen Verantwortlichen geben, forderte FPÖ-Obmann Markus Abwerzger. „Eine einfache Suche bei Google hätte gezeigt, dass man dieser Firma keine öffentlichen Aufträge geben darf“, meinte Abwerzger. Eine Dringliche Anfrage an Platter im Mai-Landtag steht im Raum.

Lab Truck von HG Pharma,
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Land verweist auf Qualitätsprüfungen

Das Land Tirol sah hinsichtlich der Zusammenarbeit in Sachen PCR-Tests mit HG Pharma keine Ungereimtheiten bei der labortechnischen Befundung sowie der Auftragsvergabe. Es gebe bisher keinerlei Anhaltspunkte oder Auffälligkeiten, die an den gelieferten Ergebnissen zweifeln lassen, hieß es.

Man verwies unter anderem auf drei voneinander unabhängige Qualitätsüberprüfungen der HG Pharma GmbH in den vergangenen Monaten. Erstens sei diese Qualitätsüberprüfung durch die Landessanitätsdirektion vor der Erstbeauftragung erfolgt, zweitens im November 2020 durch das Department für Innere Medizin der Universitätsklinik Innsbruck und drittens im Februar 2021 durch die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung in Form eines „Ringversuchs“.

Labor auf Liste des Gesundheitsministeriums

Hinsichtlich der weiteren medialen Vorwürfe habe er jedoch den „Auftrag erteilt, genauere Erhebungen zu machen“, ließ Platter bei einer Pressekonferenz zum Thema Bundesheer zu Mittag wissen. Der Landeschef erinnerte daran, dass bezüglich der PCR-Tests auch ein Rahmenbeschluss des Landtags vorliege und daraufhin der Einsatzstab und das Justiziariat mit der Abwicklung des Auftrags beauftragt wurden. Er gehe davon aus, dass dabei auch die Lizenz der Firma durch das Justiziariat geprüft worden sei. CoV-Einsatzstableiter Elmar Rizzoli konnte ebenfalls bis dato keine Ungereimtheiten bei der Befundung ausmachen: „Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist.“

Aus dem Innsbrucker Landhaus wurde der Ball zudem an das Gesundheitsministerium in Wien weitergespielt. Denn dieses habe HG Pharma „nach erfolgter Validierung auf die Liste der fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore gesetzt“. Dementsprechend sei das Labor auch vom Land Tirol für Leistungen herangezogen worden.

Die AGES erklärte gegenüber der APA, dass gemäß Paragraf 28c des Epidemiegesetzes Labors verpflichtet seien, regelmäßig an ebendiesen Ringversuchen der nationalen Referenzzentrale (Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien) bzw. an Ringversuchen von unionsweit anerkannten Referenzzentren teilzunehmen. Passiere das nicht, würden sie auch von der entsprechende Referenzliste gestrichen. Das sei aber bei HG Pharma bis dato nicht der Fall gewesen.

Grüne sprechen von „Vertrauensverlust“

Am Dienstag meldeten sich auch die Tiroler Grünen zu Wort: „Das Bild, das sich mir heute zeigt und sich immer mehr herauskristallisiert, ist eines, das von einem Vertrauensverlust in die Auftragnehmer der HG Pharma geprägt ist. Und zwar nicht primär wegen der Testqualität, sondern wegen der Begleitumstände“, so Klubobmann Gebi Mair. Der grüne Gesundheitssprecher fordert umfassende Aufklärung und volle Kooperationsbereitschaft vonseiten des Testanbieters, wie man es von einem Auftragnehmer der öffentlichen Hand erwarten könne.

Der erlittene Vertrauensverlust sei aber nicht auf die Testqualität umzulegen: „Laut bisherigen Informationen und Zusicherungen vonseiten der Landeseinsatzleitung war das Kontrollnetz derart gut, dass korrekte Ergebnisse geliefert wurden. Uns sind auch keinerlei Hinweise vom Gegenteil bekannt, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die aber in der Natur von PCR-Tests liegen“, so Mair. Er begrüßte jedoch, dass die Tests nochmals einer genauen Prüfung unterzogen werden. Das Land müsse sich jetzt „auf einen Plan B mit ausreichender Laborkapazität vorbereiten“, falls die auftauchenden Fragen nicht zur Gänze beantwortet werden können, so der grüne Klubobmann.

HG-Pharma-Geschäftsführer Ralf Herwig
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Ralf Herwig ist für die Justiz seit Jahren kein Unbekannter

Immer wieder Verfahren gegen Herwig

Herwig beschäftigt seit mehr als zehn Jahren die Gerichte. Das Landesgericht Innsbruck eröffnete nach Angaben der APA im Herbst 2010 ein Insolvenzverfahren über den damals in finanzielle Turbulenzen geratenen Herwig. Ein Sanierungsplan wurde erstellt und im September 2012 abgeschlossen, wobei sich die angemeldeten Forderungen auf 1,11 Mio. Euro beliefen. Nachdem er wieder auf die Beine gekommen war, widmete er sich eigenen Angaben zufolge der Forschung im Bereich biochemischer Therapieformen zur Systemregeneration und seiner Praxis für Urologie und Andrologie.

Im August 2019 wurde Herwig in Wien wegen versuchter Abgabenhinterziehung zu einer Geldstrafe von 100.000 Euro oder zwei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Anklage unter anderem wegen schweren Betrugs

Im Oktober des Vorjahrs erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen den 56-Jährigen Anklage wegen Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, schwerer Körperverletzung, fahrlässiger Körperverletzung und schweren Betrugs. Er steht im Verdacht, zwischen 2013 und 2017 fünf Männer, die sich wegen Erektionsproblemen zu ihm in Behandlung begeben hatten, falsch diagnostiziert und gefäßchirurgischen Eingriffen unterzogen zu haben, die nicht dem Stand der Wissenschaft entsprachen und gar nicht nötig gewesen wären.

Laut Anklage fügte er damit vier Patienten, denen er ein – tatsächlich nicht vorhandenes – venöses Leck in einer Penisvene diagnostiziert hatte, eine dauerhafte erektile Dysfunktion zu. Der fünfte Mann litt nach der Operation laut Anklageschrift an einer „wesentlichen Veränderung seines Penis“. Zwei Betroffene nahmen sich im Jänner 2014 bzw. im Mai 2015 das Leben.

Herwig überlegt, Handtuch zu werfen

Am Freitag muss sich Herwig in dieser Sache vor einen Schöffensenat am Wiener Landesgericht verantworten. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Herwig bekannte sich im Ermittlungsverfahren nicht schuldig und versicherte, er habe zutreffende Diagnosen erstellt und in sämtlichen angelasteten Fällen eine weltweit anerkannte, von ihm mit entwickelte Methode zur Behebung von Erektionsproblemen eingesetzt. Die Eingriffe seien auch indiziert gewesen, hieß es.

Herwig erwäge jetzt aber, das Handtuch zu werfen – also den noch bis Ende Juni laufenden Vertrag mit dem Land Tirol nicht mehr zu erfüllen, wie er am Dienstag der APA sagte. Es handle sich um eine „Rufmordkampagne“ gegen seine Person bzw. sein Unternehmen – daher werde er in den kommenden Tagen entscheiden, ob er entsprechende Konsequenzen ziehe.

„Sie können sich vorstellen, wie es mir geht“, so der HG-Pharma-Chef. Angesprochen auf die Vorwürfe gegen HG Pharma und seine Person erklärte der Urologe, er habe den Erklärungen des Landes vom Dienstag nichts mehr hinzuzufügen. „Ich bin davon überzeugt, dass alles in Ordnung war“, meinte Herwig. Man befinde sich gerade in der Aufarbeitung, um Zweifel auszuräumen. Er stelle sich auch jeder Untersuchung und Erhebung seitens des Landes: „Ich bin komplett gläsern.“