Haiming mit dem Tschirgant-Massiv
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Verkehr

Tschirganttunnel als ewiger Zankapfel

Seit Jahrzehnten sorgen Tunnelpläne für die Fernpass-Strecke für Kontroversen. Wirtschaftskammer und die ÖVP in der Landesregierung beharren dabei auch auf den Tschirganttunnel. Kritiker befürchten durch einen Ausbau zusätzlichen Verkehr. Eine ASFINAG–Untersuchung hat die Diskussion jetzt neu befeuert.

In Nicht-Pandemie-Zeiten versinkt das Außerfern regelmäßig im Verkehrskollaps – an Spitzentagen werden mehr als 30.000 Fahrzeuge am Fernpass gezählt. Für die Bevölkerung im Außerfern bringt das massive Belastungen. An den Stautagen sind sie zum Teil in ihren Gemeinden eingeschlossen, weil die Straßen verstopft sind. Mit der Fernpass-Strategie will das Land die Auswirkungen eindämmen, etwa mit Dosierungen des Verkehrs.

Angestrebt wird auch eine Bahnanbindung mit einem Tunnel ins Inntal. Das Land plant aber auch einen Ausbau der Straßenverbindung, wobei vor allem die ÖVP in der Landesregierung auf den Bau des Tschirganttunnels von Nassereith nach Haiming durch die Autobahngesellschaft ASFINAG beharrt.

„Kaum Lösung der Verkehrsprobleme“

Das Projekt Tschirganttunnel lag jahrelang auf Eis, die ASFINAG hatte die Pläne vor allem aus Kostengründen zurückgestellt. 275 Millionen Euro waren dafür veranschlagt. 2019 wurde gemeinsam mit dem damaligen Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) ein neuer Anlauf verkündet, zunächst waren Verkehrsuntersuchungen geplant. Wie ein aktueller Statusbericht der ASFINAG zeigt, bringe der Tschirganttunnel mit Ausnahme einer Entlastung für das Mieminger Plateau keine oder kaum eine Lösung der Verkehrsprobleme der Fernpass-Strecke. Demnach sei ein Weiterverfolgen der drei möglichen Tunnelvarianten „nicht zielführend“. Eine endgültige Absage an das Projekt sei das nicht, heißt es zumindest offiziell bei der ASFINAG.

Über das Mieminger Plateau läuft ein Teil des Fernpass-Verkehrs
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Eine Entlastung würde der Tschirganttunnel für das Mieminger Plateau mit der Strecke über den Holzleitensattel bringen

ASFINAG: Auswirkungen und Wirtschaftlichkeit prüfen

Bei der ASFINAG betont man, dass der Tschirganttunnel nicht isoliert betrachtet werden dürfe. Der Geschäftsführer der Baumanagement-Tochter, Alexander Walcher, verweist gegenüber ORF Tirol darauf, dass die Auswirkungen in Kombination mit den Ausbauplänen des Landes am Fernpass noch untersucht werden müssen. Dabei sei auch zu prüfen, ob es durch die Tunnelprojekte nicht zu ungewollten Verkehrsverlagerungen kommt. Und für die ASFINAG sei auch entscheidend, ob der Tschirganttunnel unter diesen Gesichtspunkten wirtschaftlich zu rechtfertigen ist, so Walcher. Ein endgütliges Wort sei trotz der klaren Vorbehalte im aktuellen Statusbericht aber noch nicht gesprochen.

Serpentinen auf Nassereither Seite zum Fernpass hinauf
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Verärgerung auf ÖVP-Seite in der Landesregierung

Bei Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat der Bericht allerdings für Verärgerung gesorgt. Er beharrt jedenfalls auf dem Tschirganttunnel. Sein für Straßenbau zuständiger Stellvertreter Josef Geisler kritisiert, dass der Bericht ohne Absprache mit dem Land an die Öffentlichkeit gelangt sei. Er sei auch inhaltlich nicht überall nachvollziehbar. Die Schlußfolgerungen stellt Geisler gegenüber dem ORF Tirol deshalb in Frage.

Für ihn bleibe der Tschirganttunnel zusammen mit einem Fernpass-Scheiteltunnel, den das Land plant, ein zentrales Element für die Verkehrsfrage im Außerfern, so der ÖVP-Landeshauptmannstellvertreter. Es gehe auch um eine bessere Straßenanbindung des Bezirks an den Tiroler Zentralraum mit der Landeshauptstadt Innsbruck. Ähnlich argumentiert die Tiroler Wirtschaftskammer.

Grafik Fernpass-Strecke mit geplantem Scheiteltunnel und möglichem Verlauf Tschirganttunnel
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Die ÖVP will die Straßenverbindung fürs Außerfern durch Tunnelbauten verbessern, Kritiker befürchten eine neue Transitroute

Ablehnung beim Transitforum, Skepsis bei Grünen

Beim Transitforum und seinen lokalen Gruppen im Außerfern lösen die neuerlich aufgeflammten Tunneldiskussionen massive Kritik aus. Die Tunnelpläne für die Fernpass-Strecke seien eine Einladung, in Deutschland die Straßen bis zur Grenze hin weiter auszubauen. An der jetzigen Belastung für die Bevölkerung ändere sich dadurch nichts, so Transitforum-Obmann Fritz Gurgiser.

Auch die Grünen als ÖVP-Koalitionspartner in der Landesregierung stehen den Ausbauplänen auf der Straße skeptisch gegenüber. Im schwarz-grünen Regierungsprogamm in Tirol wird der Tschirganttunnel selbst nicht weiter behandelt, weil dieser laut Bundesstraßengesetz in die Zuständigkeit der ASFINAG fällt. Der Fernpass-Scheiteltunnel ist dagegen mit der Bedingung festgeschrieben, dass dadurch keine neue Transitroute entsteht.

Der Lermooser Tunnel auf der Fernpass-Strecke
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Beim Lermooser Tunnel kommt es an verkehrsreichen Tagen immer wieder zu Blockabfertigungen

Kritik an der negativen Bewertung der ASFINAG für das Projekt Tschirganttunnel übte am Sonntag die FPÖ. Das Mieminger Plateau und das Gurgeltal würden durch das Tunnelprojekt entlastet werden, der Bezirk Reutte und der Tiroler Zentralraums würden dadurch besser erreichbar, hieß es in einer Aussendung von FPÖ-Klubobmann Markus Abwerzger und FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer. Sie fordern einen Verkehrsgipfel mit allen Beteiligten.

Gespräche zwischen Bundes- und Landesebene

Der aktuelle ASFINAG-Bericht, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Tschirganttunnel in Frage stellt, war in der jahrzehntelangen Diskussion um den Verkehr auf der Fernpass-Strecke mit Sicherheit nicht das letzte Kapitel. Ob er überhaupt in die Phase einer neuerlichen konkreten Planung kommt, das müssen erst die angekündigten Gespräche zwischen Bundes- und Landesebene inklusive ASFINAG zeigen. Eine baldige Entscheidung ist dabei nicht in Sicht.