Bozner Blutsonntag 1921
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Chronik

Bozner Blutsonntag jährt sich zum 100. Mal

Am 24. April 1921 haben faschistische Schlägertruppen den Festzug der Bozner Messe angegriffen. Dabei wurde der Schulleiter Franz Innerhofer aus Marling getötet. Er war das erste Todesopfer der faschistischen Gewalt in Südtirol.

Es hätte ein Fest der Freude sein sollen: Am 24. April 1921 lud Bozen zur ersten Frühjahrsmesse nach dem I. Weltkrieg. Ein Trachtenumzug sollte die Eröffnung begleiten. Doch für Italiens Faschisten waren Südtiroler in Tracht eine Provokation, zumal am selben Tag auf der anderen Seite des Brenners die Abstimmung über den Anschluss Tirols ans Deutsche Reich stattfand. Faschistische Schläger überfielen den Festzug, verletzten Dutzende Menschen und töteten den Lehrer Franz Innerhofer.

„Der Bandit zog den Revolver…“

Die Tageszeitung „Der Tiroler“ berichtete über Innerhofers Ermordung: „Als er in die Nähe des Ansitzes Stillendorf kam, begegneten ihm vier Faschisten, die von der Rauschertorgasse heraufkamen. Einer derselben raubte dem Knaben, der bei Herrn Innerhofer war, den Burggräfler Trachtenhut, worauf der Lehrer ihm zurief, er solle den Hut zurückgeben. Der Bandit zog daraufhin den Revolver und schoss auf Herrn Innerhofer. Die Kugel drang dem Getroffenen in die Brust. Der tödlich Verletzte flüchtete durch das Tor des Stillendorf-Ansitzes und lief mit letzter Kraft noch die erste Treppe des Stiegenhauses hinan, sank auf der zweiten Stiege nieder, das Angesicht den Stufen zugewandt.“

Franz Innerhofer und Hans Theiner
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Der Marlinger Schulleiter Franz Innerhofer wollte dem Schüler Hans Theiner helfen und wurde von einem Faschisten erschossen.

Anfang von 20 Jahren faschistischer Gewalt

Diese Ereignisse waren eine Zäsur, so Hannes Obermair, Historiker an der EURAC Bozen: „Es war der Einbruch faschistischer Gewalt in den Südtiroler Alltag und der Anfang von 20 Jahren Gewalterfahrung, zunächst durch den italienischen Faschismus und danach durch den Nationalsozialismus. Diese Epoche endete erst mit der Befreiung vom Nationalsozialismus Anfang Mai 1945.“

Tageszeitung Der Tiroler
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„Der Tiroler“ berichtete über das erste Opfer faschistischer Gewalt in Südtirol

Gelegenheit, Zivilgesellschaft zu stärken

Innerhofer war das erste Todesopfer des Faschismus in Südtirol. Im November 2019 gedachten ihm der italienische Präsident Sergio Mattarella und der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen und legten weiße Blumen im Ansitz Stillendorf in Bozen nieder – dort war Innerhofer gestorben.

Das Gedenken sei auch 100 Jahre nach dem sogenannten „Blutsonntag“ notwendig, sagte Hannes Obermair. „Dieser Tag ist die Gelegenheit, sowas wie eine Südtiroler Zivilgesellschaft, die sich damals in Reaktion auf diese Ereignisse bildete, zu stärken und auf ihre Ursprünge hinzuweisen“, so der Historiker.