Studenten mit Maske sitzen in einem Raum
APA/AFP
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Soziales

Studierende als Sündenböcke der Pandemie

Medial und politisch sind in den vergangenen Wochen Studierende wiederholt als Sündenböcke der Corona-Pandemie dargestellt worden. Anlass dafür waren beispielsweise Ansammlungen am Innufer in Innsbruck. Umfragen der ÖH zeigen, dass Studierende besonders massiv an den Folgen der Krise leiden.

Im Frühjahr 2020 wurden die Innpromenaden behördlich gesperrt, darunter auch das Sonnendeck hinter der Universität – ein beliebter Treffpunkt für Studierende. Ein Jahr später bezeichnete Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Güne) diese Sperren als Fehler.

Unmut als Folge einer „optischen Verzerrung“

Bilder des bevölkerten Sonnendecks erregen seit einigen Wochen wieder die Gemüter. Während Innsbrucks Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (ÖVP) mit Sperren droht, erteilt Willi diesem Vorstoß eine klare Absage. Tatsache ist, dass an sonnigen Tagen an der Franz-Gschnitzer-Promenade viel los ist und sich auch nicht alle an die Covid-Verordnung halten. Das zeigt auch ein Polizeieinsatz, bei dem es innerhalb einer Stunde über 60 Anzeigen hagelte – mehr dazu in Polizei griff bei Covid-Einsatz hart durch.

Menschen sitzen am Innufer
ORF

„Von der Uni-Brücke aus schaut es durch die optische Verzerrung wirklich so aus, als würden wir alle aneinander sitzen. Aber wenn man durchgeht, ist es nicht ganz so tragisch“, sagt der ÖH-Vorsitzende Johann Katzlinger im Gespräch mit dem ORF Tirol. Dass sich nicht alle an die Vorgaben halten, will er nicht leugnen. Vergessen würde in der Debatte aber oft, dass sich nicht nur Studentinnen und Studenten am Sonnendeck aufhalten. Entscheidend sei aber auch, warum es überhaupt so viele junge Menschen an öffentliche Plätze zieht.

ÖH-Umfrage zeigt alarmierende Zahlen

„Wir wohnen nicht in Einfamilienhäusern im Saggen oder in Igls. Wir wohnen oft in 3er- oder 4er-WGs. Dort lernen, schlafen, leben und arbeiten wir. Da fällt uns natürlich irgendwann die Decke auf den Kopf“, erklärt Katzlinger, warum es so viele junge Menschen in Innsbruck nach draußen zieht. Um zu untersuchen, wie es den Studierenden während der Pandemie geht, hat die Hochschülerschaft der Uni Innsbruck zwei Umfragen durchgeführt. Viele seien laut den Ergebnissen überfordert und einsam.

Finanzielle Schwierigkeiten und soziale Krise

Eine im März durchgeführte Studie zeigt, dass über 60 Prozent der Studierenden derzeit Probleme haben, neue Freunde zu finden. Dass sei laut Katzlinger vor allem auf fehlende Präsenzveranstaltungen an der Uni zurückzuführen. Viele der Erstsemestrigen hätten die Uni überhaupt erst ein- oder zweimal von innen gesehen. Laut einer zweiten Studie fühlen sich nur sechs Prozent aller Studierende derzeit vollkommen glücklich. Fast 70 Prozent erleben laut Umfrage öfter depressive oder traurige Phasen als noch vor der Pandemie.

„Auch was den Arbeitsmarkt betrifft, sind wir Studierende wahrscheinlich eine der Hauptleidtragenden“, so Katzlinger. Über 25 Prozent geben in der Studie an, dass sie aufgrund der Corona-Krise finanzielle Schwierigkeiten erlitten haben. Jeder zehnte Studierende hat aufgrund der Pandemie seinen Mietvertrag in Innsbruck gekündigt. „Obwohl wir Sündenbock sind, wird einfach viel zu wenig nach außen getragen, dass wir auch Leidtragende in der Krise sind“, so der ÖH-Vorsitzende.