Maikäfer in der Hand
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Landwirtschaft

Biologisch gegen den Maikäfer

Der Klimawandel und die zunehmend warmen und trockenen Wetterphasen begünstigen die Vermehrung des Maikäfers auch in Höhen über 1.000 Metern. Deshalb soll die in Tirol seit etwa 30 Jahren erfolgreich angewandte biologische Bekämpfung der Maikäfer nun auch in höheren Lagen und steilen Hangwiesen eingesetzt werden.

In den höheren Tälern waren die Bauern über Jahrhunderte von Maikäferplagen so gut wie verschont geblieben. 2019 dann gab es einen massiven Schädlingsbefall durch Maikäfer in Längenfeld im Ötztal und generell im Tiroler Oberland. Eine in Tirol mitentwickelte biologische Bekämpfung des Maikäfers soll nun ausgeweitet werden.

Die Gerste mit dem Pilz

Schon vor 30 Jahren war Hermann Strasser, Mikrobiologe an der Universität Innsbruck an der Entwicklung eines Pilzes beteiligt, der speziell die Engerlinge des Maikäfers befällt und verenden lässt: beauveria brongniartii. Als Träger wurden Gerstenkörner eingesetzt. Die mit dem Pilz versetzten Gerstenkörner werden in speziell vom Maschinenring dafür adaptierten Traktoren mit Schlitzgeräten in die befallenen landwirtschaftlichen Flächen eingebracht. Neuerdings können gleichzeitig Grassamen eingesetzt werden, die den Boden wieder begrünen.

Pilzgerste zu Maikäferbekämpfung
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Die mit dem Pilz versetzten Gerstenkörner werden in den Boden eingebracht

Der Pilz befällt die Maikäfer-Engerlinge und tötet sie ab. Und zwar nur die Maikäfer-Engerlinge, wie Hermann Strasser betonte: „Alle anderen mit dem Maikäfer verwandten Arten wie etwa der Gartenlaubkäfer oder der Rosenkäfer bleiben verschont.“ Würde es einen Schadbefall zum Beispiel mit dem Junikäfer geben, würde ein anderer spezieller Pilz verwendet.

Der Pilz kann aber noch mehr: Er vermehrt sich im Boden und sorgt dafür, dass der Befall an Maikäfer-Engerlingen für die Dauer von sechs bis zehn Jahren deutlich reduziert wird. Erst dann müsste man bei einer zu starken Vermehrung des Maikäfers mit seinem dreijährigen Zyklus vom Ei über den Engerling bis zum Käfer die Pilzgerste wieder neu ausbringen.

Mikrobiologe Hermann Strasser, Universität Innsbruck
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Hermann Strasser, Mikrobiologe der Universität Innsbruck

Steilhänge im Fokus

Weil der Maikäfer in Tirol zunehmend steile Hangwiesen befällt, forscht Hermann Strasser derzeit an der Möglichkeit, den Pilz auch auf so extremen Lagen auszubringen. Mit Traktoren geht das nicht mehr. Hier kommen eigens umgebaute Motormäher zum Einsatz, die den Pilz in flüssiger Form in dem Boden injizieren, erklärte Strasser. Bisher war das nur händisch möglich.

Von den Bauern gut angenommen

Pro Hektar kostet die Ausbringung von Pilzgerste etwa 480 Euro. Die Kosten werden vom Land Tirol, den Gemeinden und den Grundbesitzern bezahlt, also gedrittelt. „Im heurigen Jahr 2021 werden in Tirol etwa 1.450 Hektar mit der Pilzgerste behandelt“, erklärte der für Landwirtschaft zuständige LHStv. Josef Geisler (ÖVP). Ein Einsatz, der sich lohne. Denn neben dem teilweisen Totalausfall von Ernten auf den Feldern verstärke ein starker Schädlingsbefall in steilen Wiesen auch die Gefahr von Muren und Hangrutschen.

Dass die Bauern die Pilzgerste gut annehmen würden, bestätigte Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger. "Die Schädlingsbekämpfung mit Pilzgerste macht nur dann Sinn, wenn wirklich große nebeneinander liegende Flächen behandelt werden. Es gibt nur ganz selten Fälle, in denen sich Bauern weigern, die biologische Pilzgerste einzusetzen. Denn der Maikäfer führe in Plagejahren zu enormen Schäden im Grün- und Ackerland, aber auch im Obstbau und bei Kleingärtnern.

19.07.19 Engerlinge Schädlinge Hollenstein Maikäfer
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Bei einem starken Befall finden sich bis zu 200 Maikäferlarven in einem Quadratmeter. Sie fressen alles kahl

Reduzieren, aber nicht ausrotten

Seit Jahrhunderten versuchen Menschen, Maikäfer zu bekämpfen, weil sie sich in manchen Jahren so stark vermehren. Teilweise schienen sie fast ausgestorben zu sein und manche Kinder kannten sie nicht einmal mehr. Doch immer wieder kehrten sie zurück und eroberten sich ihren Lebensraum erneut.

Sie wurden abgesammelt und dann verbrannt, mit für alle Bodenlebewesen tödlichen chemischen Insektiziden vernichtet und schließlich über die biologische Möglichkeit mit der Pilzgerste reduziert. „Wir wollen den Maikäfer nicht ausrotten, denn er ist Teil des Ökosystems,“ betonte der Biologe Hermann Strasser. Man wolle ihn nur so reduzieren, dass er auf landwirtschaftlichen Flächen keinen Totalausfall mehr anrichtet. Denn auch in Tirol soll es weiter heißen können: „Maikäfer flieg!“