Textilbeton gilt in Österreich als relativ neuer Baustoff, der noch nicht am Markt erhältlich ist. Statt mit Stahl wird der Beton bei dieser Bauweise mit Hochleistungsfasern verstärkt – etwa aus Basalt, Glas oder Carbon. Die Entwicklung kommt ursprünglich aus Deutschland. An der Uni Innsbruck forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften seit rund zehn Jahren zu dem Material, testen es und überlegen Anwendungen.
Dünner, leichter, rostfrei
Matthias Egger vom Arbeitsbereich für Massiv- und Brückenbau sieht viele Vorteile: „Das Material hat eine deutlich höhere Zugfestigkeit und die Fasern rosten nicht. Teile können daher nur ein bis zwei Zentimeter dünn sein. Beim Stahlbeton brauchen wir bis zu neunmal so viel für den Korrosionsschutz“, so Egger. „Wir können mit Textilbeton also dauerhaftere, dünnere und leichtere Bauwerke schaffen, Transportgewicht und Ressourcen sparen – und trotzdem ein gewisses Verformungsvermögen bei den Teilen garantieren“, fasst sein Kollege Christoph Waltl zusammen.
Mit Stickmaschinen hergestellt
Die verstärkten Fasern für den Textilbeton werden auf Rollen gebündelt. Anschließend werden sie von einem Uni-Spinoff-Unternehmen in Vorarlberg mit Stickmaschinen zu großen Netzen verarbeitet. Diese Netze werden dann in den Beton eingebettet. Im fertigen Bauwerk übernehmen sie die einwirkenden Zugkräfte, während die Beton-Ummantelung für die Druckkräfte zuständig ist. Nicht nur neue Konstruktionen sind möglich – bestehende Bauwerke können mit dem Material auch saniert oder statisch verstärkt werden.
Ein Nachteil ist der derzeit hohe Preis: Carbon kostet etwa 16 Euro pro Kilogramm, Stahl nur 84 Cent. „Wir sprechen aber von einer Hochleistungsfaser mit sechsmal mehr Zugfestigkeit als Betonstahl. Der ist zudem dreimal so dicht. Wenn man all das bedenkt, kommen wir auf ein ähnliches Preisniveau“, so Waltl. Die Experten gehen davon aus, dass Textilbeton billiger wird, wenn er erst einmal weiter verbreitet ist und die Gewebe industriell hergestellt werden können.
Stabiler Schutzmantel für Unterführung
Die ÖBB-Unterführung in Kundl ist in die Jahre gekommen und Streusalz hat der Oberfläche zugesetzt. Der Textilbeton bildet eine Art Versiegelung. Die bestehende Betonschicht der Unterführung wird dafür gereinigt und teilweise entfernt. Dann wird eine dünne Schicht Beton aufgespritzt, das Textilnetz eingebettet, eine weitere Betonschicht aufgetragen und glatt gestrichen. Diese Verarbeitung geht schnell, weil weniger Alt-Beton abgetragen werden muss und die neue Schicht dünner als eine herkömmliche Betonverstärkung ist.
Das Projekt dauert fünf Wochen und kostet 200.000 Euro. Man setze bewusst auf eine neue Technologie, um konkurrenzfähig und nachhaltig zu sein, erklärt ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair: „Wir probieren gerne etwas Neues aus, das professionell durch eine wissenschaftliche Einrichtung wie die Uni Innsbruck begleitet wird.“ Durch Textilbeton falle die Sorge um möglichen Rost weg und die Lebensdauer verlängere sich, während der Aufwand für die Instandhaltung schrumpfe, hofft Gasser-Mair. An der Unterführung werden manche Bereiche konventionell saniert, andere mit dem Textilbeton. Dadurch soll ein Vergleich einfach möglich sein.
Bauleiter: Skepsis wich Begeisterung

Für die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter stellt die Arbeit mit dem neuen Werkstoff eine Herausforderung dar. Sie wurden speziell geschult, erklärt Bauleiter Clemens Hölzl: „Textilbeton ist für uns eine Premiere. Am Anfang war sicher Skepsis da, die jetzt aber der Begeisterung gewichen ist. Das Material ist sehr fein zu verarbeiten, besser, als anfangs geglaubt. Wir müssen enorm genau arbeiten, da die Betonschicht sehr dünn ist, was uns im Großen und Ganzen aber gut gelingt“, so der Experte. Er glaubt, dass es in Zukunft mehr solcher Baustellen geben wird.
Die Unterführung in Kundl soll am 16. April fertig saniert sein. Wenn das Material halte, was es verspreche, seien in Zukunft auch weitere Textilbeton-Projekte für die ÖBB denkbar, hieß es.