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Soziales

Gebärdensprache in Familie: Bitte warten

Seit einem dreiviertel Jahr gibt es in Tirol das Pilotprojekt zur Gebärdensprachförderung in der Familie. Es zielt darauf ab, gehörlosen Kindern ein mehrsprachiges Aufwachsen und hörenden Eltern Kommunikation mit ihrem Kind zu ermöglichen. Aber der Andrang zu diesem Projekt ist größer als das Angebot.

Bei der Gebärdensprachförderung in der Familie kommen Gebärdensprachlehrer nach Hause. Ab dem Säuglingsalter lernen sie mit gehörlosen Kindern die Gebärdensprache als Muttersprache. Der frühe Beginn der Gebärdensprache orientiert sich an der kognitiven Entwicklung und dem für den Spracherwerb bedeutsamen Lebensabschnitt zwischen Geburt und vier Jahren. Auch hörende Kinder lernen in dieser Phase ihre Sprache, bei gehörlosen steht die Gebärdensprache statt der Lautsprache.

Durch die Förderung in den eigenen vier Wänden lernen auch die engsten Bezugspersonen des Kindes, seine meist hörenden Eltern, Geschwister und Großeltern die Gebärdensprache. Hörenden Eltern ermöglicht die Gebärdensprache erstmals Kommunikation mit ihrem Kind. Das Pilotprojekt von Land Tirol und Gehörlosenverband begann im Sommer 2020 – mehr dazu in Zu Hause spielend Gebärdensprache lernen.

Chance für derzeit fünf Familien

Vier Familien werden über das Land Tirol finanziert, eine weitere über die Aktion Licht ins Dunkel. An der Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen (HSS), an der Familien erstmals mit der Diagnose der Gehörlosigkeit ihres Kindes konfrontiert sind, sind mehrere Familien vorgemerkt, die ebenfalls Interesse haben, aber derzeit keinen Platz in dem Projekt bekommen.

Für Logopädin Ruth Altenburger ein bedauerlicher Zustand, denn der Erwerb der Gebärdensprache sei eine notwendige Ergänzung zu Cochlea Implantaten (CI). Kinder, deren Muttersprache die Gebärdensprache sei, lernten mit einem CI oder einem Hörgerät auch die Lautsprache leichter. Nach der Diagnose seien Eltern, die selbst meist hörend sind, für einige Zeit geschockt, danach würden sie sich für die Gebärdensprachförderung in der Familie interssieren, aber auf der Warteliste landen.

Akzeptanz war anfangs völlig unklar

Soziallandesrätin Gabriele Fischer verweist auf den Status als zeitlich befristetes Pilotprojekt, das bis Sommer evaluiert werde. Unklar war zu Beginn, wie stark das Interesse überhaupt ist und wie die Methode angenommen werde. Abwarten wollte man auch, wie der häufige Besuch von Gebärdensprachlehrerinnen in der Privatsphäre von den Familien akzeptiert werde.

Die bisherigen Rückmeldungen von Gehörlosenverband, der die Gebärdensprachlehrer stellt, und Familien seien gut, im April gebe es eine Sitzung zur Zukunft des Modells. Wenn es als dauerhaftes Angebot etabliert wird, könnte es über die Reha-Verträge zwischen Land und Partnern abgerechnet werden. Fischer geht davon aus, dass das Projekt ausgebaut wird und künftig mehr Plätze zur Verfügung stehen.

In Tirol gibt es laut Auskunft des Gehörlosenverbandes rund 20 ausgebildete Gebärdensprchlehrer und -lehrereinnnen, vier von ihnen arbeiten am Projekt mit. 13 Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetersch hätten ebenfalls die Qualifikation, Kindern und Eltern zuhause Gebärdensprachunterricht zu erteilen.