Bei den Firmenpleiten weist Tirol mit einem Minus von 69,2 Prozent nach Kärnten den zweitgrößten Rückgang im gesamten Bundesgebiet aus. Im Bundesschnitt sanken die Insolvenzzahlen um 58,6 Prozent. Laut Klaus Schaller vom KSV1870 lag bereits vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie die Zahl der Insolvenzen in Tirol auf einem sehr niedrigen Niveau.
Ein über Jahre gut laufender Wirtschaftsmotor gepaart mit niedrigen Zinsen habe dazu geführt, dass die Tiroler Betriebe sehr ordentliche Ergebnisse einfahren konnten. Für den Einbruch der Insolvenzzahlen sieht Schaller aber eine andere Ursache: Der einzige Grund für das Einbrechen der Zahl der Pleiten seit Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 sei der Eingriff der öffentlichen Hand in die regulären Wirtschaftsabläufe.
Betriebe verhalten sich oft passiv
Langfristige Stundungen von öffentlich-rechtlichen Abgaben und staatliche Beihilfen führten dazu, dass Unternehmen, die bereits vor der Pandemie schwach aufgestellt waren, am Markt verbleiben können, so Schaller. Zusätzlich blieben Betriebe, die in Folge der Corona-Auswirkungen eigentlich insolvent wären, häufig passiv und setzten auf Zeit. „Zusammen mit dem Zurückhalten der Insolvenzeröffnungsanträge durch öffentlich-rechtliche Gläubiger führt dieses Zuwarten der Unternehmen zu einem gänzlichen Ausbleiben der Marktbereinigung“, so Schaller.
Insolvenz auch ein Sanierungswerkzeug
Schaller verweist auf die Insolvenz als Sanierungswerkzeug, das derzeit praktisch nicht in Anspruch genommen wird: „In den ersten drei Monaten des Jahres gab es in Tirol kein einziges von einem wirtschaftlich schwach aufgestellten Betrieb beantragtes Sanierungsverfahren.“ Man empfehle Unternehmen, die bereits heute absehbar in Zukunft Schwierigkeiten bei der Rückführung der aufgelaufenen Verbindlichkeiten haben werden, aktiv eine Sanierung anzugehen. Ein weiteres Zuwarten vermindere die Erfolgsaussichten für eine beabsichtigte Sanierung, heißt es vom KSV.
Die österreichische Insolvenzordnung stellt laut dem KSV im europäischen Vergleich ein sehr gut funktionierendes Sanierungswerkzeug dar: „Ist ein gerichtliches Verfahren entsprechend professionell vorbereitet, können Betriebe binnen weniger Wochen eine Konsolidierung ihrer Finanzen unter Aufsicht des Insolvenzgerichtes erreichen.“
KSV sieht keine Insolvenzwelle kommen
Was die Zukunft bei den Insolvenzen betrifft, sieht man beim KSV1870 keine Insolvenzwelle über Tirol hereinbrechen. Man erwarte aber ab dem Sommer bis zum Jahresende 2021 und darüber hinaus einen kontinuierlichen Anstieg bei den Firmenpleiten.
Privatkonkurse: Warten auf verbilligte Entschuldung
Auch beim Rückgang der Privatkonkurse verzeichnet man in Tirol den zweithöchsten Wert, hinter Salzburg. In Tirol beträgt der Rückgang 25,8 Prozent, im Österreichschnitt waren es 8,5 Prozent. Im erste Quartal 2021 habe es in Tirol lediglich 69 eröffnete Privatinsolvenzverfahren gegeben.
Beim KSV zeigt man sich darüber trotz der finanziellen Probleme vieler Haushalte nicht verwundert. In Erwartung einer verbilligten Entschuldung ab Mitte des Jahres 2021 würden insolvente Konsumschuldner trotz einer bestehenden gesetzlichen Verpflichtung kaum mehr Insolvenzeröffnungsanträge bei den Bezirksgerichten stellen. Die gravierendste Neuerung sei die Verkürzung der Dauer eines Abschöpfungsverfahrens auf drei Jahre.