Vater spielt mit Kind
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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coronavirus

Kinder mit Trauma- und Angstsymptomen

Bei Kindern haben Trauma- und Angstsymptome seit dem zweiten Lockdown um sechzig Prozent zugenommen. Das zeigt eine Studie der Medizinuniversität Innsbruck. Jedes sechste Kind bis zwölf Jahren zeige Symptome, die klinisch relevant sind. Experten warnen vor Schulschließungen.

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben in der Psyche von Kindern und Jugendlichen deutliche Spuren hinterlassen. Das zeigte eine Studie der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kinder- und Jugendalter. Die zweite Befragungsrunde im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojekts zeigt deutliche Verschlechterungen beim psychischen Wohlergehen von Kindern im Alter von drei bis zwölf Jahren.

Schlafstörungen, Bauchweh, Konzentrationsstörungen

Die Zahl jener Kinder, die Angst-, Stress- und Traumasymptome zeigen, ist um sechzig Prozent gestiegen, sagte Studienleiterin Kathrin Sevecke. Vor allem die Mädchen berichteten über Angst, Sorgen und körperliche Symptome wie Bauchweh und Schlafstörungen. Buben würden zusätzlich Konzentrationsstörungen und Aufmerksamkeitsprobleme angeben, so die Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall.

„Das bedeutet, dass mittlerweile rund 15 Prozent der Kinder – im Frühjahr 2020 waren es noch drei Prozent – Symptome zeigen, die auch klinisch relevant sind. Die Kinder beschreiben, dass ihre Lebensqualität nicht mehr in dem Ausmaß vorhanden ist wie vor der Coronavirus-Krise“, so Sevecke. Lockerungen und das Öffnen von Schulen und Kindergärten nach dem ersten Lockdown hätten zwar leichte Verbesserungen gebracht. Sie würden aber nicht ausreichen, um die psychischen Belastungen auszugleichen.

Trauriges Kind
Public Domain

Home-Schooling belastet sehr

Die Kinder können beim Fernunterricht ihre Leistungen immer schlechter abrufen. Das führe zu Sorgen und Problemen innerhalb der Familien so Sevecke. „Die Stunden vor dem Bildschirm nehmen zu. Das macht ein körperliches Unwohlsein. Es macht Kopfschmerzen, Unruhe und man kann Abends schlechter entspannen und schlafen“. Das würden auch Erfahrungen mit Jugendlichen an der Klinik in Hall zeigen, so Sevecke.

Für die Studie, die von der Medizinuniversität Innsbruck und den tirol kliniken gemeinsam durchgeführt und vom Land Tirol unterstützt wird, werden in regelmäßigen Abständen Familien und Kinder befragt. Die erste Befragungsrunde war im Juni 2020. Die zweite dauerte von 14. Dezember bis Ende Jänner 2021. Daran haben 703 Familien aus ganz Nord- und Südtirol teilgenommen. Zusätzlich wurden 224 Kinder befragt.

Kathrin Sevecke
privat
Kathrin Sevecke, Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Sevecke: „Maßnahmen gehen auf Kosten der Kinder“

„Man kann nur eindrücklich darauf hinweisen, dass eine weitere Schulschließung aus Sicht der Studie negative Auswirkungen haben wird. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben bei den Kindern seelische Spuren hinterlassen. Der negative psychische Effekt summiert sich und die Belastungen steigen“, sagte Kathrin Sevecke.

Das müsse man in der Öffentlichkeit auch diskutieren. Beim Treffen weiterer Maßnahmen oder Verschärfungen müsse die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen in die Risiko-Nutzen-Abwägung miteinbezogen werden, forderte die Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall.

Bewegung schafft Abhilfe

Hilfesuchenenden Eltern rät Kathrin Sevecke sich an die verschiedenen Hotlines zu wenden. Auch die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie hat mittlerweile eine eingerichtet. „Generell ist es sinnvoll darauf zu schauen, dass die Kinder nach den vielen Stunden online rausgehen können. Sport und Bewegung schaffen einen körperlichen Ausgleich, der auf Schlaf- und Konzentrationsprobleme sehr gut wirkt“, so Sevecke.

Die dritte Befragungsrunde bei Kindern und Eltern für die Studie wird noch vor den Sommerferien gestartet. Wann genau hänge von den weiteren Maßnahmen der Regierung ab, so Sevecke. In der nächsten Stufe des Forschungsprojekts wolle man aber auch die Erfahrungen von Lehrern und Kindergartenpädagogen in Bezug auf die coronavirus-bedingten Belastungen der Kinder untersuchen. Ziel sei es, ein Instrument zur Früherkennung von Belastungssymptomen zu entwickeln.