GRW Leere Straße in Lermoos
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Verkehr

Trügerische Ruhe im Außerfern

Seit Deutschland die Grenze zu Tirol wegen der Ausbreitung der Südafrikavariante des Coronavirus geschlossen hat, herrscht im Außerfern Ruhe. Die vom Durchzugsverkehr teilweise überrollte Region erlebt eine ruhige Zeit. Wirklich glücklich ist man aber dennoch nicht, denn der Verkehr bringt auch den Tourismus in die Region.

Der Fernpass ist so ruhig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Es gibt keinen Urlauberverkehr in die Skigebiete und damit auch kein Stau-Chaos. Ruhig geht es deshalb auch im gesamten Außerfern zu.

Leerer Fernpass
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Der Fernpass ist derzeit so ruhig wie wohl seit Jahrzehnten nicht

Glück und Unglück in der Ruhe

In der sonst in der Verkehrslawine fast erstickenden Gemeinde Lermoos kommt man derzeit problemlos von einer Straßenseite zur anderen. Ab und zu kommt ein Auto oder ein Lkw durch, ansonsten ist es erstaunlich ruhig. Auch für die Einheimischen ist es ein ungewohntes Bild und eine Zeit des Durchschnaufens vom Verkehrslärm. Eine Zeit mit Ablaufdatum freilich. Wirklich glücklich kann man über die Zwangsberuhigung auch nicht sein.

Die Anrainerin Erika Mott erzählte dem ORF Tirol: „Auf der einen Seite sind wir natürlich froh, dass wir jetzt einmal Ruhe von dem vielen Verkehr haben. Auf der anderen Seite macht uns die Coronapandemie Angst, denn es geht ja auch um unsere wirtschaftliche Existenz.“

Die Ruhe können sich die meisten also nicht auf Dauer wünschen. Denn Lermoos ist ein Tourismusort. Kein Verkehr bedeutet auch keine Gäste. An normalen Tagen wälzen sich täglich 8.500 Fahrzeuge durch den Ort, an Spitzentagen bis zu 15.000. Drei Viertel davon ist Durchzugsverkehr. Unter dem leiden dann nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Gäste, die in der Region bleiben.

Stefan Lagg, Bürgermeister von Lermoos im ORF Tirol Interview
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Für den Lermooser Bürgermeister Stefan Lagg ist die derzeitige Verkehrsruhe ein zweischneidiges Schwert

Tickende Zeitbombe wartet in Bayern

Von einem zweischneidigen Schwert spricht auch der Lermooser Bürgermeister Stefan Lagg. „Jetzt können die Einheimischen einmal die Ruhe und die leeren Skigebiete für sich selbst genießen. Auf der anderen Seite gibt es durch die Coronapandemie und die Grenzschließung durch Bayern natürlich auch großen wirtschaftlichen Schaden.“ Denn auch Lermoos lebt vom Tourismus.

Wenn Bayern die Grenzen wieder öffnet und die Reisefreiheit nach der Pandemie wieder gegeben ist, tickt für die Außerferner allerdings eine Zeitbombe, wie es Bürgermeister Stefan Lagg ausdrückte. „Derzeit wird mit dem Kramer-Tunnel an der Umfahrung von Garmisch-Partenkirchen gebaut. Sie soll 2024 fertig sein.“ Dann werde noch mehr Verkehr aus dem Münchner und dem Werdenfelser Raum auf die Gemeinden im Bezirk Reutte zurollen. „Davon haben wir Lermooser kaum etwas, denn Dreiviertel davon ist reiner Durchzugsverkehr“

Ruf nach großer Verkehrslösung

Schon lange gibt es die Forderung nach einer großen Lösung, sprich einer Umfahrung der betroffenen Gemeinden Lermoos, Ehrwald und Biberwier. Ob sie kommen wird, ist derzeit offen. Sicher scheint nur, dass nach der Pandemie die Verkehrsproblematik im Außerfern wieder so schlimm sein wird wie vorher. Der Anrainer Fritz Mitterbauer sagte im Gespräch mit dem ORF Tirol: „Wir müssen eine Balance finden, zwischen dem Verkehr, der uns etwas bringt und dem, der unserer Region schadet. Das ist wie ein Gordischer Knoten.“

GRW Blick auf Weißenbach am Lech
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Weißenbach ist normalerweise vom Motorradverkehr stark betroffen

Weißenbach ohne Motorradlärm

Schauplatzwechsel nach Weißenbach: Hier kämpft man in normalen Zeiten weniger mit dem zweispurigen als vielmehr mit dem einspurigen Verkehr. Wo jetzt gerade nicht nur corona-, sondern auch jahreszeitlich bedingt Ruhe herrscht, sorgt der Verkehr von täglich hunderten von Motorradfahrern für Horrorlärm. „Wir Weißenbacher sind von zwei Seiten belastet“, erklärt Bürgermeister Johann Dreier. „Die Motorradfahrer kommen aus dem Allgäu durch das Tannheimertal und dann den Gaichtpass herunter. Bei der Tankstelle in Weißenbach ist so eine Art Treffpunkt. Dann geht es weiter ins Lechtal und auf das Hahntennjoch." Weißenbach sei kein Tourismusort“, so der Bürgermeister. „Wir haben nur den Lärm!“

Wobei Johann Dreier betonte, dass er gegen Motorradfahrer, die langsam und rücksichtsvoll durch den Ort fahren, gar nichts habe. „Es sind halt die zehn Prozent, die Gas geben oder frisierte Maschinen haben. Die schaden dann der Bevölkerung und eigentlich auch allen anderen Bikern.“

Kampf dem Lärm über Verordnung

Die Lärmverordnung, die seit dem vergangenen Jahr in Kraft ist und ein Fahrverbot für Motorräder mit über 95 Dezibel gebracht hat, habe die Situation schon etwas entschärft. In Diskussion ist auch ein Motorrad-Fahrverbot über das beliebte Hahntennjoch. Aber wenn die Grenzen wieder von Bayern her offen sind, wird auch der Zweiradverkehr erneut heranrollen. Dann ist es auch in Weißenbach wieder mit der Ruhe vorbei.