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Coronavirus

Experte: „Kurze Impfreaktion ist normal“

Welche Nebenwirkungen hat eine Covid-19-Impfung? Wie reagiert mein Körper auf den Impfstoff? Sollte man sich nach einer durchgemachten Corona-Infektion impfen lassen? Der Impfexperte Reinhard Würzner von der Medizinuniversität Innsbruck beantwortet diese Fragen im ORF Tirol-Interview.

Am Donnerstag beginnt im Bezirk Schwaz eine großangelegte Impfaktion. Mehr als 48.500 Personen haben sich angemeldet und werden den Impfstoff von Biontech/Pfizer erhalten. Gleichzeitig gehen in anderen Teilen Tirols die Impfungen der über 80-Jährigen weiter. Auch in den Krankenanstalten und vielen Gesundheitseinrichtungen wurde schon geimpft. Größtenteils mit dem Impfstoff von Astra Zeneca. Viele Menschen sind verunsichert, wie sie wohl auf eine Impfung reagieren werden.

Reinhard Würzner ist Arzt für Laboratoriumsmedizin, Hygiene und Mikrobiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, Mitglied des Coronavirus-Befundungsteams der Virologie und stellvertretender Direktor des Hygiene-Instituts. Er hat im Gespräch mit ORF Tirol die häufigsten Fragen zur neuen Impfung beantwortet:

ORF Tirol: Worauf muss ich mich einstellen wenn ich mich gegen das Coronavirus impfen lassen? Gibt es Nebenwirkungen?

Würzner: So wie bei anderen Impfungen kann es auch bei der Covid-19-Impfung zu einer Impfreaktion kommen. Ich würde an dem Tag keinen Kraftsport machen, denn ich muss mich darauf einstellen, dass der Impfarm Abends deutlich mehr weh tut, als tagsüber. Man kann Schüttelfrost bekommen oder auch Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen.

Etwa ein Drittel bis zur Hälfte der geimpften Personen zeigen eine Impfreaktion, die nicht ganz leicht ist. Andere merken fast gar nichts und andere vielleicht nur eine kleine Einschränkung beim Arm.

ORF Tirol: Wenn ich eine Impfreaktion habe, wie lange dauert das? Was ist noch „normal“ und wann sollte ich zum Arzt?

Würzner: Man sollte sich keine Sorgen machen, denn eine Impfreaktion ist normal und nur von kurzer Dauer. Die Symptome sollten am nächsten Tag weniger sein und am zweiten Tag ganz weg. Man sollte dann zum Arzt gehen, wenn es immer stärker wird, wenn das Fieber immer mehr steigt. Aber das ist in den seltensten Fällen so. Man fühlt sich wie bei einer Grippe, abgeschlagen, krank mit Gliederschmerzen, aber wenn man sich hinlegt und schläft dann sollte es danach besser sein.

Virologe Reinhard Würzner von der Innsbrucker MedUni
ORF
Impfexperte Reinhard Würzner von der MedUni Innsbruck

ORF Tirol: Man hört immer wieder, dass ältere Personen die Impfung besser vertragen. Haben diese weniger starke Impfreaktionen als Jüngere?

Würzner: Ja, das kann man schon sagen. Das liegt daran, dass ihr Immunsystem nicht mehr so „aufgeregt“ ist, wenn da ein neuer Erreger daher kommt. Zwar reagiert ihr Immunsystem bei einem neuen Antigen auch, aber nicht mehr so überschießend. Daher sehen wir bei älteren Personen viel seltener schwere Impfreaktionen als bei jüngeren.

ORF Tirol: Was ist der Unterschied zwischen einer Impfreaktion und einer Nebenwirkung? Oder ist das das Gleiche?

Würzner: Die Impfreaktion – also wie der Körper auf die Impfung reagiert – ist das, was ich bereits genannt habe: schwerer Arm, Schüttelfrost, Fieber, Unwohlsein. Das dauert ein bis zwei Tage.

Bei den Impfnebenwirkungen gibt es zweierlei: Das eine ist die Sofortnebenwirkung, das wäre ein anaphylaktischer Schock. Das ist eine Überreaktion gegenüber dem Impfstoff. Das passiert ungefähr einmal bei 100.000 Impfungen. Das kennen wir auch von anderen Impfungen, deshalb wird diese Impfung jetzt immer mit einem Notfallmediziner vor Ort durchgeführt.

Die andere Nebenwirkung ist die, die man noch nicht kennt. Es kann sein, dass Monate oder Jahre danach etwas auftritt, was ohne diese Impfung nicht aufgetreten wäre. Das ist noch unerforscht und man nimmt aber an, dass es so etwas nicht gibt.

ORF Tirol: Macht es von den Impfreaktionen her eigentlich einen Unterschied welchen Impfstoff man bekommt?

Würzner: Eigentlich nicht. Bei den Impfreaktionen gibt es keine großen Unterschiede. Sie sind auch in der Schwere und der Häufigkeit vergleichbar. Es gibt nur in einem Punkt einen Unterschied.

Wenn jemand auf einen Impfstoff von Astra Zeneca – das ist ein sogenannter Vektor-Impfstoff – reagiert, dann reagiert er bei der ersten Teilimpfung stärker als bei der zweiten. Bei einem mRNA-Impfstoff wie etwa von Biontech/Pfizer oder Moderna ist meistens bei der zweiten Teilimpfung eine stärkere Impfreaktion.

ORF Tirol: Kann die Impfreaktion stärker ausfallen wenn ich eine Corona-Infektion durchgemacht habe?

Würzner: Das ist noch nicht ganz klar, kann aber durchaus sein. Eine Corona-Infektion hat ja schon im Körper Antikörper gebildet und jetzt kommt die Impfung oben drauf. Da kann es sein, dass das Immunsystem deutlich stärker reagiert.

Impfung
APA/VLK/A. SERRA
Für den vollen Impfschutz sind zwei Teilimpfungen nötig

ORF Tirol: Ist es überhaupt sinnvoll mich impfen zu lassen, wenn ich eine Corona-Infektion gehabt habe?

Würzner: Es kommt darauf an, wann diese Infektion war. Ich würde mich nicht ein bis zwei Wochen nach einer Infektion impfen lassen. Wenn natürlich diese Erkrankung im Frühjahr letzten Jahres war, dann ist so viel Zeit vergangen, dass es für das Immunsystem eine gute Idee ist, sich wieder mit dem Virus zu beschäftigen, um einen Schutz aufzubauen.

Es spricht einiges dafür vor einer Impfung den Antikörperstatus zu überprüfen. Wenn ich deutlich nachweisbare Antikörper habe, dann kann ich davon ausgehen, dass das Immunsystem trainiert ist und ich noch keine Impfung brauche. Wenn wenige Antikörper nachweisbar sind, dann würde ich auf jeden Fall zu einer Impfung raten.

ORF Tirol: Es sind mehrere Impfstoffe verfügbar. Man kann sich aber nicht aussuchen, womit man geimpft wird. Ist der Impfstoff von Astra Zeneca schlechter als der von Biontech/Pfizer oder der von Moderna?

Würzner: Ich würde das mit Formel 1 Rennwagen vergleichen, denn das sind alle drei ganz vorzügliche Impfstoffe. Wenn wir sagen, dass die mRNA-Impfstoffe Rennwagen sind, die in den letzten zehn Jahren immer Weltmeister geworden sind, dann ist der Vektor-Impfstoff von Astra Zeneca auch ein Rennwagen, der Rennen gewinnt.

Es deuten vielleicht ein paar Daten daraufhin, dass der Impfstoff von Astra Zeneca nicht ganz so gut ist. Jedoch die Daten, die jetzt immer mehr reinkommen aus Großbritannien und aus Israel zeigen, dass es ein sehr guter Impfstoff ist, der bisher meiner Ansicht unter seinem Wert gehandelt worden ist.

ORF Tirol: Muss ich mich auch nach einer Impfung an die Schutzmaßnahmen wie Maske tragen und Hände waschen halten?

Würzner: Ich bin nach einer Impfung nicht hunderprozentig geschützt. Die Impfung wirkt zu weit über 90 vielleicht sogar 95 Prozent. Zum anderen will ich das Virus ja nicht weitergeben, auch wenn es geschwächt ist. Daher sollte ich auch weiterhin die Maske tragen.

Virologie der Medizinischen Universität in Innsbruck
ORF
Das Hygiene-Institut an der Medizinischen Universität Innsbruck

ORF Tirol: Bei wieviel Geimpften in der Bevölkerung kann man denn von einer Herdenimmunität ausgehen?

Würzner: Da gibt es unterschiedliche Berechnungen dazu. Manche sagen bei 70 bis 80 Prozent. Aber wenn wir uns die Studie zu Ischgl ansehen, da sind 45 Prozent immun gewesen und im darauffolgenden Vierteljahr gab es kaum noch Infektionen. Ich glaube es ist nicht so schlimm wenn man keine komplette Herdenimmunität hat. Wenn man die meisten Infektionen verhindern kann, dann ist das schon mal gut.

Wenn man die Hälfte der Bevölkerung geimpft hat und das sieht man jetzt auch in Israel, dann geht die Zahl der Ansteckungen rapide nach unten. Hat man nur ein Viertel der Bevölkerung geimpft, sieht man gar keinen Effekt. Das heißt die Hälfte der Bevölkerung sollte man auf jeden Fall anstreben und je mehr desto besser.