Ende April ließen sich in Ischgl knapp 1.500 Bewohnerinnen und Bewohner freiwillig auf CoV und SARS-CoV-2-Antikörper testen. Damals konnten bei 42,4 Prozent der Studienteilnehmer Antikörper nachgewiesen werden – mehr dazu in Ischgl: 42,4 Prozent haben Antikörper. Bei einer weiteren Testreihe im November sollte bei rund 900 Personen überprüft werden, wie hoch dieser Anteil nach sechs Monaten noch ist.
CoV-Studie: 90 Prozent der getesteten Ischgler immun
90 Prozent der getesteten Bewohner von Ischgl haben immer noch Antikörper im Blut und sind damit stabil gegen das Coronavirus immun: So lautet das Kernergebnis einer der größten und längsten Verlaufsstudien zur Immunität nach einer CoV-Infektion.
„Davon hatten 801 Personen zwischen 18 und 89 Jahren bereits an der ersten Studie teilgenommen. Mit deren Blutproben wurde nun anhand von serologischen Antikörper-Tests und spezifischen Verfahren zur Messung der zellulären Abwehr der Verlauf der Immunität analysiert“, berichtete Studienleiterin Wegene Borena vom Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck.
Antikörper-Konzentration nur leicht zurückgegangen
Bei diesen 801 Teilnehmern der Folgestudie konnte im April 2020 ein Nachweis virusspezifischer Antikörper – der Seroprävalenz – von 51,4 Prozent nachgewiesen werden, im November 2020 lag die Häufigkeit SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper nach einer CoV-Infektion noch immer bei 45,4 Prozent.
„Trotz leichtem Rückgang der Antikörper-Konzentration im Vergleich zur ersten Studie können wir damit von einer relativ stabilen Immunität sprechen. Bei knapp 90 Prozent von den im April 2020 seropositiv Getesteten konnten auch im November Antikörper detektiert werden“, kommentierte Virologin und Institutsleiterin Dorothee von Laer die zentrale Erkenntnis.
Bei Studie verschiedene Antikörper-Tests eingesetzt
Der Nachweis der SARS-CoV-2-spezifischen Antikörper erfolgte bei der Studie im November wie bei der Basisstudie im April mit unterschiedlichen kommerziellen Antikörper-Tests, wobei in der Folgestudie ein zusätzlicher Antikörper-Test hinzugezogen wurde.
Ein Teil der Proben wurde in einem Neutralisationstest auch auf neutralisierende Antikörper hin untersucht, um die kommerziellen Antikörper-Tests zu überprüfen. „Der Neutralisationstest bestätigte bei einem Großteil der serologisch differierenden Ergebnisse das Vorhandensein spezifischer Antikörper gegen SARS-CoV-2“, so Studienleiterin Wegene Borena.

Vorhandensein der T-Zellen wurde untersucht
Neben virusspezifischen Antikörpern können auch spezifische Immunzellen das Virus bekämpfen. Deshalb wurde in der aktuellen Studie bei 93 Proben zusätzlich eine Untersuchung vorgenommen, die das Vorhandensein dieser spezifischen Immunzellen, der T-Zellen, nachweist.
Eine Untergruppe dieser T-Zellen, auch Killerzellen genannt, ist in der Lage, virusinfizierte Zellen zu erkennen und abzuräumen. Man spricht von zellulärer Immunität, wurde erläutert.
Blutzellen mit Virusbestandteilen kultiviert
Um SARS-CoV-2-spezifische T-Zellimmunität nachweisen zu können, wurden in zwei aufwendigen Testverfahren Blutzellen von Teilnehmern der Studie isoliert und mit verschiedenen Bestandteilen des Virus zusammen kultiviert.

Wenn T-Zellen vorhanden sind, die das Virus erkennen können, werden diese stimuliert und produzieren bestimmte Zytokine, also Botenstoffe. Der Nachweis dieser Zytokin produzierenden T-Zellen bestätigt schließlich eine vorliegende T-Zellimmunität. Diese bekämpft vom Virus befallene Zellen im Körper und eliminiert sie. Antikörper verhindern dagegen die Infektion überhaupt.
Mehr Antikörper bei schwereren Syptomen
„Eine T-Zellimmunantwort ließ sich auch in Proben mit kaum oder nicht mehr nachweisbarem Antikörper-Titer belegen, was die Rolle der zellulären Immunität nach Covid-19 untermauert“, so von Laer. Es sei folglich nicht ausgeschlossen, dass eine Immunität auch dann besteht, wenn keine Antikörper mehr in den verwendeten Tests nachweisbar sind.
In der Folgestudie wurden die Probanden auch zu ihren Symptomen befragt. Eine erste Analyse lasse den Schluss zu, dass das Ausmaß der beschriebenen Symptome mit der Antikörper-Persistenz korreliert. Je schwerer die Symptome, desto mehr neutralisierende Antikörper waren auch nach acht Monaten noch vorhanden, hieß es.
Geringe Neuinfektionsrate im Herbst
Von Herdenimmunität könne in Ischgl zwar nicht ausgegangen werden, so von Laer, doch die hohe Seroprävalenz könnte in Kombination mit begleitenden niederschwelligen Maßnahmen wie Masketragen und Abstandhalten eine zweite Welle im Herbst des vergangenen Jahres verhindert haben. Die Neuinfektionsrate lag in Ischgl in diesem Zeitraum bei unter einem Prozent.

Diese Entwicklung wird auch in der Analyse einer begleitenden Studie der Paris Lodron Universität Salzburg dargestellt, in der der Inzidenzverlauf der Gemeinde Ischgl anhand von PCR-Test-Ergebnissen aus behördlichen Meldedaten anderen vergleichbaren Orten gegenübergestellt wurde.
Rückkehr zur Normalität von Südafrika-Variante gefährdet
Die geringe Zahl an Neuinfektionen während der zweiten Welle in Ischgl kann laut von Laer ein Hinweis sein, dass mit einer Durchimpfungsrate von 40 bis 45 Prozent in Kombination mit einfachen Verhaltensregeln wie Masketragen und Abstandhalten eine weitgehende Rückkehr zur Normalität möglich sei. Allerdings würden neue Coronavirus-Typen wie die Südafrika-Variante einen solchen Schutz wieder infrage stellen. Wie sich auch anhand von erneuten Infektionen in Tirol zeige, würden Antikörper gegen die ursprüngliche Variante offensichtlich nicht vor einer zweiten CoV-Infektion mit einer neuen Variante schützen.
Dass neue Virusvarianten auftauchen, sei durchaus normal, betonte von Laer. Ähnlich wie bei der Grippe müssen Impfstoffe dann eben entsprechend angepasst werden. Ausschlaggebend sei aber, dass neue Varianten so lange eingedämmt werden, bis auch hier wirksame Impfstoffe verfügbar sind. Eine ebenfalls vorhandene zelluläre Immunität durch T-Zellen könne in solchen Fällen allerdings schwere Krankheitsverläufe verhindern.