Das Karröster Kreuz am Tschirgant von oben mit Blick auf das Inntal nach Landeck.
Hubert Gogl
Hubert Gogl
Wissenschaft

Erdbeben lösten große Tiroler Felsstürze aus

Seltene starke Erdbeben haben die großen Felsstürze auf dem Tschirgant und Fernpass ausgelöst. Zu diesem Schluss kommen jetzt Wissenschafter der Uni Innsbruck. Sie identifizierten zehn prähistorische Erdbeben mit einer Magnitude zwischen 5,5 und 6,5 auf der Richterskala.

In vielen Alpentälern mit steilen Flanken finden sich Überreste großer Felsstürze. „Interessanterweise traten viele dieser alten Bergstürze auf eher kleinem Raum auf und haben ein ähnliches Alter, bildeten also eine Art ‚Cluster‘", so Patrick Oswald, Doktorand in der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie der Universität Innsbruck und Hauptautor der Studie.

Die Entstehung der Felsstürze zu rekonstruieren ist für die Wissenschaft schwierig, weil die Ereignisse einige tausend Jahre zurückliegen und es deshalb auch keine historischen Aufzeichnungen darüber gibt. Theorien dazu gibt es jedoch einige – von abrupten klimatischen Veränderungen bis hin zu Erdbebenerschütterungen.

Expertenstreit in Tirol über Felssturz

Was den Fernpass betrifft, kam es sogar in Tirol zu einem Expertenstreit zwischen dem ehemaligen Landesgeologen und den Wissenschaftern an der Uni Innsbruck. Landesgeologe Gunther Heißel brachte seinerzeit die Gipskartshypothese ins Spiel, die Wissenschafter der Uni Innsbruck hielten von dieser Theorie allerdings nichts – mehr dazu in Expertenstreit um Fernpass-Bergsturz.

Erdbebennachweis in Alpenseen entdeckt

In der aktuelle Studie haben sich die Forscher auf die Untersuchung des Sediments in Alpenseen konzentriert. Das Hauptaugenmerk legten die Geologen dabei auf die massiven Bergstürze am Tschirgant, am Fernpass und am Eibsee.

Tschirgant
Hermann Hammer
Vor rund 3.000 Jahren ging von der Südseite des Tschirgant ein Bergsturz nieder

Dazu entnahmen die Forscher bis zu acht Meter lange Bohrkerne aus den Seen. „Statt Überreste dieser Bergstürze in der Landschaft zu untersuchen, bohrten wir in die schlammigen Sedimentarchive am Grund des Piburgersees und des Plansees und suchten nach spezifischen Spuren im Schlamm – ausgelöst von starken Erdbeben. Indem wir die Erdbeben- und Bergsturzrekonstruktionen der letzten 10.000 Jahre vergleichen, können wir beurteilen, ob diese miteinander in Beziehung stehen oder nicht“, erklärt Jasper Moernaut vom Institut für Geologie.

Zehn prähistorische Erdbeben nachgewiesen

Durch Radiokarbon-Datierung von organischem Material in den Bohrkernen entdeckten die Forscher zehn prähistorische Erdbeben während der letzten 10.000 Jahre, und fanden zudem auch Spuren des historischen Erdbebens mit Richter-Magnitude 5,3 vom 8. Oktober 1930 in Namlos (Bezirk Reutte). Einige der prähistorischen Beben waren stärker als jene, die in dieser Region in den letzten 1000 Jahren aufgetreten sind.

„Durch eine exakte Auswertung historischer Erdbebenberichte – sofern sie vorhanden sind – und den Vergleich mit den Sedimentabdrücken in den Seen haben wir die Erdbeben auf eine Magnitude nach Richter zwischen 5,5 bis 6,5 geschätzt", sagt Christa Hammerl, historische Seismologin an der Österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Da die Beben in den Ostalpen nur in wenigen Kilometern Tiefe auftreten, können sie erhebliche Schäden an der Infrastruktur und in der Naturlandschaft verursachen.“

Zeitlichen Zusammenhang festgestellt

Die Ergebnisse der Innsbrucker Geologen zeigen, dass das Auftreten der großen Bergstürze am Tschirgant vor rund 3.000 Jahren und am Fernpass vor ca. 4.100 Jahren mit besonders starken Erdbeben zusammenfällt. Aus dieser Altersübereinstimmung schließen die Forscher, dass die extremen seismischen Erschütterungen letztlich die Bergstürze auslösten.

Die Analysen ergaben außerdem, dass eine enge Abfolge von mindestens fünf schweren Erdbeben den Bergstürzen vor etwa 3.000 Jahren vorausging. „Wir vermuten daher, dass seismische Erschütterungen nicht nur Bergstürze selbst auslösen, sondern die Felshänge nach und nach immer instabiler werden lassen", ergänzt Michael Strasser.

„Mit all diesen neuen Informationen möchten wir nun einen Beitrag dazu leisten, künftige Erdbeben- und Bergsturzgefahren in den dicht besiedelten Alpentälern besser abschätzen und prognostizieren zu können. Erdbeben dieser Stärke sind zwar selten, können aber verheerende Folgen haben.“