Grenzkontrolle Richtung Bayern
ORF/Waldegger
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Politik

Erschwerte Ausreise: Druck auf allen Ebenen

Österreich macht weiter Druck auf Deutschland, die seit Sonntag geltenden drakonischen CoV-Grenzkontrollen zu Tirol zu lockern. Deutschland schneide sich „ins eigene Fleisch“, sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montagabend in einem Videointerview mit „Bild Online“.

Zuvor hatte er den deutschen Botschafter in Wien, Ralf Beste, zu einem Gespräch gebeten. Indes wurde das kleine und große deutsche Eck für innerösterreichische Pendler wieder geöffnet.

Weiter Unklarheit für Pendler

„Ich habe gerade das Gefühl, dass wir zurückfallen in die schlimmste Zeit von März 2020“, sagte Schallenberg dem Onlineportal der größten deutschen Tageszeitung. Er kritisierte, dass am Montagabend noch immer nicht klar sei, welche Pendler nun von Deutschland als „systemrelevant“ eingestuft werden. Zudem gebe es „mehr deutsche Pendler nach Tirol als umgekehrt“. Weiters würde sich der Lkw-Verkehr nach Deutschland jetzt schon in Italien stauen.

„Ich glaube, dass einige Maßnahmen überschießend sind und man sich vielleicht die Konsequenzen nicht wirklich überlegt hat“, warnte Schallenberg vor negativen Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft. „Da schneidet sich Deutschland letztlich selber ins eigene Fleisch.“

Durchreisende dürfen durchreisen

Unterdessen lockerte die Bundespolizeidirektion München die Kontrollen für Durchreisende über das große und kleine deutsche Eck zwischen Tirol und Salzburg. Nunmehr dürfen auch Personen aus dem Transportgewerbe, Berufspendler sowie Schüler die jeweiligen Korridorstrecken befahren. Seit Sonntag mussten sie zum Teil zeitraubende Umwege in Kauf nehmen, um in das jeweils andere österreichische Bundesland zu gelangen. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zeigte sich erfreut über die Öffnung des kleinen und großen deutschen Ecks. „Es wird damit eine wesentliche Forderung Tirols erfüllt“, sagte er.

Bemühungen auf vielen Ebenen

Schallenberg sagte, dass die österreichische Regierung auf verschiedenen Ebenen in Richtung einer Lockerung der Grenzkontrollen arbeite. Botschafter Beste wurde bereits Sonntagabend ins Außenministerium gebeten, wo er darauf hingewiesen wurde, dass die „extrem strengen“ Maßnahmen „unverhältnismäßig“ seien. Die Grenzkontrollen stünden in einem „klaren Widerspruch zu den ‚lessons learned‘ des letzten Frühjahres“, teilte das Außenamt auf APA-Anfrage mit. „Wir sind alle dringend aufgefordert, die Fehler vom Frühjahr 2020 nicht zu wiederholen und die ohnehin stark geschwächte Wirtschaft noch weiter massiv zu behindern. Immerhin tragen wir gemeinsam Verantwortung für eine der wesentlichen Wirtschaftsadern auf unserem Kontinent.“

BK Kurz: "Dürfen nicht Schikanen sein

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mahnte am Rande einer Pressekonferenz Montagnachmittag, dass die „Maßnahmen praktikabel sein müssen und keine Schikanen. Der freie Pendler- und Wirtschaftsverkehr sind in der EU eine Selbstverständlichkeit.“ Dass Deutschland mit den von Österreich ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von Virusmutationen nicht zufrieden sei, stellte Kurz in Abrede. Er sei mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in permanenten Austausch. Das Vorgehen Österreich werde als „sinnvoll bewertet“. Man verfolge „die absolut richtige Strategie“.

Protest auch aus Brüssel

Nach Ausbruch des Coronavirus in Europa im März des Vorjahres hatten fast alle Staaten nationale Maßnahmen ergriffen und ihre Grenzen geschlossen. Danach wurde immer wieder betont, dass es künftig ein abgestimmtes Vorgehen geben müsse. Auch Brüssel bekräftigte seinen Protest gegen die Maßnahmen Deutschlands am Montag. Man habe sich erst kürzlich auf gemeinsame Empfehlungen für das Reisen in Coronazeiten geeinigt und erwarte, dass alle Länder danach handelten, betonte ein Sprecher der EU-Kommission. Um diese Empfehlung nochmals zu unterstreichen, würden an alle 27 EU-Staaten Briefe verschickt werden. Die Empfehlungen seien sehr deutlich und sollten der Kompass aller EU-Staaten sein. Andernfalls drohten Fragmentierung und Störungen der Freizügigkeit.

Ausbreitung der Südafrika-Mutante wird beobachtet

Zunächst gelten die strikteren Einreiseregelungen für zehn Tage. Was danach passiert, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen: „Man muss auf Sicht fahren“, erklärte Deutschlands Innen-Staatssekretär Stephan Mayer. Auch ihm wäre es lieber, wenn die Grenzkontrollen dann bereits „obsolet“ wären, doch hängten die Maßnahmen von der weiteren Ausbreitung des Virus ab.