Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) von Außen
VfGH/Achim Bieniek
VfGH/Achim Bieniek
Politik

Tiroler Vollquarantäne war rechtswidrig

Die Verhängung der im Frühjahr vom Land Tirol verordneten Corona-Vollquarantäne bzw. der ausgerufenen „Selbstisolation“ ist rechtswidrig gewesen. Zu diesem Schluss kam der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einer am 10. Dezember getroffenen und am Dienstag veröffentlichten Entscheidung.

Damit wurden die von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am 20. März vergangenen Jahres erlassenen Verordnungen, die das Überschreiten des eigenen Gemeindegebiets verboten haben, aufgehoben. Ab dem 5. April seien die Bestimmungen jedoch durch das Epidemiegesetz gedeckt gewesen, hieß es. Gekippt worden sei zudem das Verbot über das Verlassen des eigenen Wohnsitzes. Das Höchstgericht hatte bereits mehrere Maßnahmen des Bundes aufgehoben.

Laufende Verfahren werden nun eingestellt

Das Land zeigte sich nicht überrascht und kündigte an, für die aufgehobenen Bestimmungen alle laufenden Verfahren einzustellen. „Es stellt für das Land keine Überraschung dar, da bereits durch den VfGH zugrunde liegende Verordnungen des Bundes aufgehoben wurden und daher die Aufhebung der darauf aufbauenden Tiroler Verordnungen die logische Konsequenz sind“, so das Land in einer ersten Reaktion.

Das Höchstgericht habe festgestellt, dass die aufgehobenen Bestimmungen bei etwaigen laufenden Verfahren nicht mehr anzuwenden seien. Dies gelte für alle Verfahren, die derzeit noch anhängig seien. „Das Land Tirol hat nach den Entscheidungen des VfGH im Sommer 2020 bei allen Verfahren von dieser Zeit, wo ein Rechtsmittel erhoben wurde, ganz bewusst den höchstgerichtlichen Entscheid abgewartet. Nun können auf Basis dessen für die betreffenden aufgehobenen Bestimmungen die Verfahren eingestellt werden“, hieß es.

Vorerst gibt es kein Geld zurück

Die bereits bezahlten Strafen in jenem Zeitraum können wegen der derzeitigen Rechtslage nach Angaben des Landes Tirol nicht erlassen oder wieder zurückerstattet werden. Hierzu benötige es eine bundesgesetzliche Grundlage, die das ermöglichen müsste, hieß es auf Nachfrage des ORF Tirol.

FPÖ-Chef zeigt sich erfreut

Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger zeigte sich „erfreut“ ob des VfGH-Entscheids: „Die Entscheidung, dass die landesweite Gemeindequarantäne rechtswidrig war, beweist, dass die Grund- und Freiheitsrechte auch in Pandemiezeiten Geltung haben“. Die ÖVP müsse „endlich verstehen, dass Verfassungsrechte nicht mit Füßen getreten werden dürfen, es wurden bisher vom Verfassungsgerichtshof zahlreiche Verordnungen der Bundesregierung und auch der Länder als rechtswidrig erkannt“.

Abwerzger forderte, dass sämtliche Verwaltungsstrafen, die aufgrund rechtswidriger Verordnungen erlassen wurden, rückwirkend aufgehoben bzw. sämtliche Einhebung der Strafen sofort eingestellt werde.

Yildirim fordert Rückzahlung von Strafgeldern

Auch die SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim fordert, gesetzwidrig verhängte Corona-Strafen zurückzahlen. Dass das möglich sei, hätten zahlreiche Verfassungsexperten bestätigt. Bisher habe sich die schwarz-grüne Bundesregierung dem immer verwehrt. Yildirim sagt dazu, „dieses Verzögern und Verschleppen kann ich absolut nicht nachvollziehen“. Die Regierung müsse hier endlich mehr Tempo an den Tag legen.

Der entsprechende Antrag der SPÖ liege dem Nationalrat seit Mai 2020 vor. Anfang Juli habe sich die Justizministerin bezüglich einer Lösung zuversichtlich gezeigt. Im selben Monat habe der Gesundheitsminister versprochen, eine „bürgerfreundliche Lösung“ zu finden. Yildirim kritisiert, es sei immer noch keine Entscheidung und kein Ansatz einer Lösung in Sicht. Durch das jetzige Urteil für Tirol stehe auch die Landesregierung in der Pflicht, Fehler einzugestehen.