Im Rahmen der Gebärdensprachförderung für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche kommen Gebärdensprachlehrerinnen in ganz Tirol zu Familien nach Hause. Zwei bis vier Stunden wöchentlich üben sie Gebärdensprache mit dem Kind, Mutter, Vater, Brüder und Schwestern lernen mit. Bei Babys kommuniziert die Lehrerin mit der Mutter durch Gebärdensprache, das Kind lernt durch Zusehen.

Wie bei nicht-hörgeschädigten Kindern geht es um den Alltag, um Zähneputzen und Schlafen gehen, um Spielsachen und Aufräumen, um Wickeln und Windeln. Statt Lautsprache lernt das Kind – und seine Bezugspersonen – Gebärdensprache. Vokabular und Themen ergeben sich aus dem Alter der Kinder, die Förderung ist spielerisch. Ein späterer Einstieg in die Gebärdensprachförderung ist jederzeit möglich, da die Hörbeeinträchtigung oft erst nach dem Säuglingsalter bemerkt wird.
Kommunikation statt Missverständnis
Die Gebärdensprache ermöglicht innerhalb der Familien oft erstmals Kommunikation: Hörgeschädigte Kinder bekommen eine Sprache, um sich auszudrücken, die hörenden Eltern können darauf reagieren. Ohne Gebärdensprache prägt oft Unverständnis das familiäre Zusammenleben.
Am Projekt, das vom Gehörlosenverband Tirol ins Leben gerufen wurde, beteiligen sich derzeit fünf Familien. Für vier von ihnen läuft die Finanzierung über das Land Tirol, für die fünfte über die Aktion Licht ins Dunkel. Der Gehörlosenverband sieht darin vor allem die Chance der Sprachentwicklung, die österreichische Gebärdensprache soll als vollwertige Sprache vermittelt werden.

Anspruch auf Gebärdensprachdolmetsch für Amtswege
Wer Gebärdensprache spricht, kann z.B. für Behördenwege eine Gebärdensprachdolemtscherin in Anspruch nehmen und hat mehr Bildungs- und Berufsmöglichkeiten, so Monika Mück-Egg vom Gehörlosenverband.

Dem Verband geht es mit dem Projekt darum, Gebärdensprache ab dem Säuglingsalter zu ermöglichen. Je früher man sie erlernt, umso leichter beherrscht man die Grammatik der Sprache und erreicht ein höheres Sprachniveau.
Die Gebärdensprachlehrerinnen können für Kinder auch Role Models sein, die die Persönlichkeitsentwicklung stabilisieren so Mück-Egg. Durch die frühe Förderung gebärdensprachlicher Kompetenzen steige die Fähigkeit, auch die Lautsprache zu erlernen.
Ergänzung zu medizinischer Unterstützung
An der Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen (HSS) in Innsbruck begrüßt man das Projekt. Elisabeth Zangerl, Pädaudiologin und Logopädin, verweist auf die Nebeneffekte des Spracherwerbs für die Gehirnentwicklung und die sozialen und emotionalen Defizite, die ohne Sprache entstehen. In der kindlichen Entwicklung gebe es dafür ein „Zeitfenster“ bis ins Alter von vier, fünf Jahren. Das neue Projekt schließe hier eine Lücke, so Zangerl.
An der Klinik für HSS habe man früher oft bemerkt, dass medizinische Unterstützung gehörlosen Kindern und ihren Angehörigen nicht ausreiche. Gerade hörende Eltern würden im Umgang mit ihren gehörlosen Kindern Unterstützung benötigen.
Dass gehörlose Kinder oft ein Hörimplantat oder ein Hörgerät erhalten, sei kein Widerspruch, denn das Implantat sei kein Garant für eine unauffällige Sprachentwicklung. Außerdem hilft es, Kinder auch in jenen Situationen zu erreichen, in denen sie kein Hörgerät tragen: Im Schwimmbad, beim Schlafen, unter der Dusche.