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Ein Stück Geschichte: Der Bozner Zelten

Der Bozner Zelten wird seit jeher in der Adventszeit gebacken. Die Geschichte dieses üppigen Früchebrotes reicht bis in das frühe Mittelalter zurück. In Bozen erfuhr das Gebäck seinen kulinarischen Höhepunkt.

Als der französische Philosoph und Humanist Michel de Montaigne um 1580 durch Südtirol reiste, schwärmte er vom „besten Brot der Welt“. Gemeint war damit der Bozner Zelten, welcher die Geschmackssinne des Philosophen in einer noch nie erreichten kulinarischen Dimension überrascht habe. Das Früchtebrot der besonderen Art wird in Südtirol hergestellt und vor allem vor Weihnachten verkauft und genossen.

Fruchtige Mischung

In früheren Jahren wurde auf Südtirols Bauernhöfen das Früchtebrot bereits im November gebacken und später bei verschiedenen feierlichen Anlässen verschenkt. Dieser Brauch wird heute allerdings kaum noch gepflegt und ist daher großteils in Vergessenheit geraten.

Der Zelten ist heutzutage eine leicht veränderte Form des Früchtebrotes und wird durch zahlreiche Nüsse, Gewürze und andereen Zutaten verfeinert. Bäckereien haben jeweils ihr eigenes schmackhaftes Rezept, das sie gut hüten.

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Der Duft des Bozner Zeltens kündigt die Weihnachtszeit an

In den Grundzügen habe sich das Rezept vom Bozner Zelten seit Hunderten von Jahren kaum verändert: „Der Bozner Zelten beinhaltet viele Früchte und besteht eigentlich aus wenig Teig. Er ist gefüllt mit Feigen, Rosinen, Sultaninen, Mandeln, Erdnüssen, Haselnüsse und Pinienkerne. Außerdem braucht es Zucker, Zimt, Nelkenpulver und Rum“, weiß der Bäckermeister Dietmar Weissensteiner aus dem Sarntal.

Früchtebrote als älteste Opfergaben

Der Südtiroler Kulturhistoriker Siegfried de Rachewiltz hat den Ursprung des Zeltens erforscht. Früchtebrote zählen zu den ältesten Opfergaben der Geschichte. Bereits die alten Griechen vermuteten in den Teigresten die Kraft der Fruchtbarkeit.

Zelten
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Jede Bäckerei hat ihr Geheimrezept

"Das mittelhochdeutsche Wort „zelten“ bedeutet soviel wie „quetschen“ oder „kneten". In diesem Sinne verwendete es Oswald von Wolkenstein. Seine Frau schimpfte ihn einst, da er seine Kinder zu einem Zelten gequetscht hat, also malträtiert habe im Zuge eines Konfliktes“, erklärt der Historiker.

Zutaten als Statussymbol

Während einst das bäuerliche Früchtebrot meist Trockenbirnen, die so genannten „Kloazen“ enthielt, wurden in den städtischen Zelten kandierte Früchte eingearbeitet. Die Stadt Bozen war bekannt für seinen regen Handel mit Obst und Gewürzen. Die Orangerien lieferten Südfrüchte, die in die Zelten des Adels verarbeitet wurden.

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Im Zelten des Adels wurden einst kandierte Südfrüchte eingearbeitet

„Wir wissen von den Rechnungsbüchern der Tiroler Grafen, dass exotisches Dörrobst einfach zum jenen Speisen und Süßigkeiten gehörte, die sich der Adel leisten wollte. Das war ein Statussymbol. Südfrüchte, wie gedörrte Feigen oder Zitronen wurden kandiert und auch als Zutaten für den Bozner Zelten verwendet“, erklärt Rachewiltz.

Der Anschnitt als Liebesbeweis

In den Bozner Bürgerhäusern bekam an Weihnachten jedes Familienmitglied einen Zelten mit einem angehefteten Brieflein. Aber auch beim Liebesbrauchtum spielte die kalorienreiche Süßspeise eine wesentliche Rolle, weiß Rachewiltz: „Der Bursch, der um die Hand eines Mädchens anhalten wollte, hat sie gefragt, ob er ihren Zelten anschneiden durfte. Wenn sie zustimmte, war das ein Zeichen der Zuneigung.“

Zelten als Liebesbeweis
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Die Erlaubnis zum Anschnitt eines Zeltens galt lange Zeit als Liebesbeweis

Heutzutage kündigt der betörende Duft des Zelten das bevorstehende Weihnachtsfest an. Genießbar sei das Früchtebrot allerdings auch noch weit über das Dreikönigsfest hinaus, so der Bäckermeister.