Alpinist Sepp Gwiggner
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Ein Leben in steilem Fels und Eis

Wenn Sepp Gwiggner oder besser der Wildschönauer Sepp auf sein Leben als Alpinist zurückschaut, ist es ein Blick in steile Felswände, auf gefrorene Wasserfälle, in Gletscherspalten und auf schmale lange Grate. Im November ist er 70 Jahre alt geworden.

Sepp Gwiggner darf einen Rekord sein eigen nennen, den niemand sonst mehr brechen kann.

Alle Viertausender der Alpen hat er bestiegen. Dreimal ist er die Eiger Nordwand geklettert. Und er ist der einzige Alpinist auf der ganzen Welt, der alle 114 Alpenklassiker aus der berühmten Sammlung von Walter Pause und dem Fotografen Jürgen Winkler geschafft hat. Das ist schon deshalb aussergewöhnlich, weil nach den Jahren 1970 und 1977 im Jahr 2015 eine dritte Aufklage des Buches mit zusätzlichen Gipfeln erschien.

Daniela Janek – Bürgerinitiative
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Und plötzlich fehlten zwei Touren

Da fehlten dem Wildschönauer Sepp aufeinmal noch zwei schwere Routen. Zu diesem Zeitpunkt war er immerhin schon 65 Jahre alt. „Da hab´ ich mir schon überlegt, ob ich das noch schaffen kann. Ich hatte einen gehörigen Respekt. Aber dann habe ich die beiden fehlenden Touren innerhalb von einer Woche geschafft,“ erzählte er beim Besuch des ORF Tirol am Fuße seines Heimatgebirges, des Wilden Kaiser.

Ein Eintrag für die Ewigkeit

Diesen Rekord kann ihm auch niemand mehr nehmen. Denn einige der Touren, wie etwa den berühmten 600 Meter hohen Bonatti-Pfeiler im Montblanc Massiv in Frankreich hat die Natur selbst zerstört. Es gibt sie nicht mehr. „Einige der Routen sind abgebrochen, man kann sie nicht mehr begehen, Insofern können alle 114 Touren der Pause/Winkler Bücher nicht mehr gemacht werden.“

Daniela Janek – Bürgerinitiative
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Ganz kurz war Schluss damit

Weil er als Waldaufseher in der Wildschönau auch im Arbeitsleben flexibel genug sein konnte, um gute Wetterphasen für seine großen Vorhaben zu nutzen, musste er nur selten umkehren, erinnerte er sich. Ans Aufhören dachte er trotz aller Risiken und Gefahren nur ein einziges Mal. Das war im Mont Blanc Gebiet. „Es war eine Überquerung und als es richtig riskant wurde, beschlossen mein Seilpartner Sepp Sint und ich, mit dem Bergsteigen aufzuhören, wenn das noch einmal gut ausging.“ Als die beiden nach drei Tagen unversehrt nach Chamonix zurückkehrten, fragten sie sich, was denn nun sei mit ihrem Beschluss. Da meinte der Osttiroler Sepp zu seinem Wildschönauer Namenskollegen: „Weißt was, niedergeschrieben ist nichts, wir werden einfach alles abstreiten und machen weiter mit dem Klettern.“ Gesagt getan, unternahmen die beiden eingespielten Seilpartner noch viele atemberaubende Touren gemeinsam.

Kein 8.000er im Tourenbuch

Nur eines blieb Sepp Gwiggner als großen Alpinisten verwehrt. Einen 8000er zu bezwingen. Beim Versuch, die Shisha Pangma zu besteigen, sagte sein Körper zum einzigen Mal nein. „Um ehrlich zu sein, war ich einfach schon zu alt,“ gab Sepp Gwiggner offen zu. „Ich kam schon in einem völlig desolaten Zustand ins Basislager. Es war völlig unmöglich über 6.000 Meter hinauszukommen.“ Geärgert habe er sich darüber nie, er habe es probiert und es sei halt nicht geglückt, hakte er die Höhenbergsteigerei damit ab.

Daniela Janek – Bürgerinitiative
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Schattenseiten des Bergsteigerlebens

Fünf Bergfreunde hat er im Laufe seines langen Alpinistenlebens verloren. Bei keinem der Unfälle musste er dabeisein. Er sagte, er habe selbst immer Glück gehabt, sehr viel Glück. „Als Alpinist kennst Du das Risiko, aber das habe ich in Kauf genommen. Ich danke dem da oben, dass er immer gut auf mich geschaut hat.“ Trotz zahlreicher Gefahren wurde Sepp Gwiggner nie ernsthaft verletzt.

Pensionist mit 52 Seillängen

Jetzt mit 70 gehe er es ruhiger an, sagte er. Dabei meint er aber immer noch Touren, die sich die meisten gar nicht zutrauen würden. Eine der Touren von heuer hatte 52 Seillängen mit einem Biwak am Berg. „Lange, aber nicht schwere Routen gehe ich immer noch sehr gern, da freue ich mich heute genauso drüber, wie früher über die schweren.“

Den Blick immer voraus aufs nächste Ziel gerichtet, aber immer mit Bedacht. Ohne Zaudern, aber nicht verbissen und um jeden Preis. So hat er alle seine großen Touren geschafft. Immer schön Tritt für Tritt und Griff für Griff in steilem Fels und Eis.