Baugrund – ein knappes Gut in Tirol
Tirol ist ein Land im Gebirge. Nur zwölf Prozent der Gesamtfläche sind als Dauersiedlungsraum nutzbar. Daher gilt es mit dem knappen, kostbaren Grund und Boden ressourcenschonend umzugehen. Bei der Auszeichnung des Landes für neues Bauen geht es weniger um trendige Einfamilienhäuser, sondern um intelligente, nachhaltige Lösungen im Umgang mit der prekären Landschaft.
18 nominierte Projekte
In diesem Sommer war die dreiköpfige externe Jury zwei Tage lang in ganz Tirol bis in die hintersten Täler unterwegs. Aus 75 eingereichten Projekten wurden 18 ausgewählt und persönlich besichtigt. Die Architektin Marta Schreieck stammt ursprünglich aus Tirol, Anne-Julchen Bernhardt ist Professorin an der Technischen Hochschule in Aachen und der Architekt und Stadtplaner Peter Haimerl hat sein Büro in München.
Irrsinn der Zersiedelung
Die Reise ins Ötztal gleiche einem Wechselbad der Gefühle, schreibt Marta Schreieck im Jurytext. Vorbei an dicht verbauten Dörfern mit zahlreichen maßstabs- und gestaltlosen Tourismusbauten erschließe sich die Schönheit des Tales nur langsam.
Auch Architekt Peter Haimerl, der vorher noch nicht so oft in Tirol war, wundert sich im Skype-Gespräch mit tirol.ORF.at über den „Irrsinn der Zersiedelung“. Diese Tatsache könne man nicht mehr ändern, daher versuche er, das Positive hervorzuheben. Es gäbe auch erfreulich viele qualitätsvolle Bauten, so Haimerl.
Tirol – eine Metropole?
Die Tiroler seien „besonders energetisch aufgeladen“ und diese Energie würde sich in den Gebäuden widerspiegeln. „Wenn man sich ansieht, was wir ausgezeichnet haben und wie viele Bauten wir in Tirol auch noch prämieren hätten können, dann wurde diese Energie sehr gut in Architektur umgewandelt. Mir kommt Tirol wie eine Metropole vor, deren Wolkenkratzer die Berge sind“, sagt Architekt Peter Haimerl.
Der Jury fiel die Auswahl nicht leicht. Man einigte sich auf drei Auszeichnungen für Projekte, die innovative Räume für Bildung, Kommunikation und neue Arbeitswelten bieten.
Schule als Bühne fürs Leben
Das Wiener Team fasch & fuchs.architekten hat sich bereits mit zahlreichen Schulbauten in ganz Österreich profiliert. Der aus einem intensiven Beteiligungsprozess hervorgegangene Schulcampus in Neustift im Stubaital wird als besonders gelungen hervorgehoben. Im Wettbewerb war eines der geforderten Kriterien, eine „Schule von morgen“ zu entwickeln. Eine Schule als „Bühne fürs Leben“ sei es geworden, schwärmt die Jurorin Marta Schreieck.
„Ich kenne in Deutschland keine Schule, die so konsequent und modern umgesetzt worden ist“, resümiert Haimerl. „Lehrer und Schüler begegnen sich hier auf Augenhöhe. Die Offenheit der Räume strahlt auf die Art der Lehre aus.“ Keine kleinen Zellen sind nebeneinander gereiht, sondern großzügige, lichtdurchflutete Räume. Fünf Institutionen wurden auf 12.000 Quadratmeter Fläche auf einem Hanggrundstück teilweise unterirdisch untergebracht.
„Für mich ist das wichtigste, dass diese Offenheit der Räume auf die Art der Lehre ausstrahlt. Wie tritt man der Welt entgegen? Man kann sich in kleine Zellen zurückziehen oder man kann die ganze Welt um sich haben. Die ganze Welt hat man hier im Kleinen vor sich. Man ist immer Teil des ganzen Organismus“ so Haimerl.
Anbauen statt Abreißen
Ein wichtiges Thema für die Zukunft ist das Bauen im Bestand. Nicht Abbrechen und neu Bauen sondern Um- und Weiterbauen lautet die Devise. Die Sanierung der Schule Kettenbrücke in Innsbruck ist dem Team von Studio Lois besonders gut gelungen.
Die aus verschiedenen Bauphasen seit den 1930er Jahren zusammen gestöpselten Gebäude werden „intelligent und feinfühlig“ zu einer neuen Einheit verbunden, lobt Peter Haimerl. Mit einer Polycarbonatfassade wird der Auftritt nach außen neu gestaltet. „Im Inneren ist der Bestand so in das Gesamtgefüge integriert worden, dass die Frage, was alt und was neu ist in den Hintergrund tritt“ schreibt Anne-Julchen Bernhardt.
Schöne neue Arbeitswelt
Die dritte Auszeichnung geht an das Innsbrucker Studio des international agierenden norwegischen Teams von Snøhetta für die Swarovski Manufaktur in Wattens. Die Aufgabe war es, prototypische Arbeits- und Kreativräume für die Zukunft zu gestalten. „Die 100 Meter lange und knapp 50 Meter breite stützenfreie Halle mit einer Metallkassettendecke und zahlreichen Tageslichtöffnungen bietet alles, was die Arbeits- und Lebenswelt von morgen braucht“, findet Haimerl.
Der Entwurfsgedanke würde dem der prämierten Schulbauten ähneln, ein großer lichtdurchfluteter Raum bildet das Zentrum. In diesen Raum sei alles reingebaut, was man brauche: Ausstellungsbereiche, Arbeitsplätze, Roboterplätze, eine multifunktionale Tribüne, die zum gemütlichen Jausnen einlädt aber auch als glamouröser Treffpunkt dient, so Haimerl. Hier treffe der Designer den Koch und alle werden mitgenommen. Teil eines gesamten Organismus zu sein, das sei wesentlich – wie bei den Schulen, daher würden sich die Menschen auch mit den Gebäuden identifizieren.
Neben den drei Auszeichnungen wurden auch sechs Anerkennungen vergeben, vier Projekte wurden lobend erwähnt. Sämtliche Einreichungen sind online zu sehen. Die Ausstellung mit allen Einreichungen ist im aut.architektur und tirol bereits aufgebaut. Man hofft auf die baldige Möglichkeit, sie real besuchen zu können.