Demo gg homeschooling Innsbruck
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APA/Brigitte Kurzthaler
Bildung

Demo gegen Homeschooling in Innsbruck

Mehr als 100 Schüler, Lehrer und Eltern haben sich am Montag auf dem Innsbrucker Landhausplatz versammelt, um gegen das Homeschooling der Oberstufe in roten und orange Bezirken zu demonstrieren. Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP), die mit Bildungsdirektor Paul Gappmaier gekommen war, verteidigte die Maßnahmen und erntete Buhrufe.

Beinahe mehr Eltern als Schüler waren zu der Demonstration auf dem Landhausplatz erschienen. „Das ist ein trauriger Aspekt, aber viele haben sich heute nicht getraut zu kommen, weil sie gerade zu Hause Homeschooling haben“, sagte eine der Organisatorinnen vom Musikgymnasium Innsbruck. In Anlehnung an die „Fridays for Future“-Proteste skandierten die Schüler dann: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung raubt.“ Auf den mitgebrachten Plakaten war unter anderem „Wir haben ein Recht auf Bildung“, „Das war’s mit der Matura“ und „Wollt ihr wirklich ein dummes Volk“ zu lesen.

Bildungslandesrätin Beate palfrader (ÖVP)
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Bildungslandesrätin Beate Palfrader wurde ausgebuht

Unmut nach Aussagen der Bildungslandesrätin

Als schließlich Palfrader auf der „Open Stage“ das Megafon der Demonstranten ergriff, meinte sie, dass es auch für die Politik keine leichte Situation sei. Sie habe Verständnis für den Unmut und den Ärger der Schüler, Eltern und Lehrer. „Aber Tirol hat Wien mittlerweile bei den Infektionszahlen überholt“, verteidigte sie die Maßnahme unter anhaltenden Buhrufen. Nach drei Wochen werde die Maßnahme evaluiert, versprach die Bildungslandesrätin.

Demo gegen homeschooling Innsbruck
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Nur wenige Schülerinnen und Schüler konnten zur Demonstration kommen, da sie sich im Homeschooling befanden

FPÖ fordert „evidenzbasierte“ Maßnahmen

Auch die beiden FPÖ-Landtagsabgeordneten Evelyn Achhorner und Christofer Ranzmaier waren zur Demonstration gekommen. „Ihr sollt wissen, dass es auch in der Politik Kräfte gibt, die evidenzbasierte Maßnahmen fordern“, sagte Ranzmaier durch das Megafon zu den Demonstranten. Es gehe darum, wer tatsächlich am Coronavirus erkrankt. „Das sind die Zahlen, die sich die Politik schon längst anschauen sollte. Zahlen und Fakten müssen als Grundlage gelten und keine Hirngespinste, die durch das ganze Land geistern“, so Ranzmaier und erntete Applaus und Jubelrufe.

Interessenvertreter und Kinderärzte gegen Isolation

Auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft und die Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, ein Zusammenschluss von Kinderärzten, stellten sich am Montag hinter die Proteste. Sie richteten ein Schreiben an Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Darin heißt es, dass kein einziger Cluster in der vergangenen Woche dem Tiroler Bildungsbereich zugeordnet werden konnte. Eine CoV-Ansteckung würde damit nicht in der Schule, sondern im häuslichen Umfeld erfolgen.

In der Woche davor habe es in Tirol drei Cluster mit 54 Fällen gegeben. Die Anzahl der Cluster spreche klar gegen die Notwendigkeit des Homeschooling ab der neunten Schulstufe in roten und orange Bezirken wie Innsbruck-Stadt und Innsbruck-Land, so die Verfasser. Das Schreiben wurde auch von Kinderärzten unterzeichnet.

Angst, den Anschluss zu verlieren

Tirols Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser sei von Schülerinnen und Schülern bereits kontaktiert worden. Sie würden sich ganz klar für einen Präsenzunterricht aussprechen: „Sie haben Angst, dass sie den Anschluss verpassen. Sie haben Angst, dass ihnen die Zukunft verbaut wird.“ Besonders betroffen seien Maturantinnen und Maturanten. Sie hätten schon im letzten Semester viel verloren und nun gehe die Unsicherheit im Abschlussjahr weiter.
Man müsse bedenken, so Harasser, dass Schule mehr sei als nur ein Ort, um zu lernen: „Abgesehen vom Bildungsfaktor werden jetzt wieder die ganzen sozialen Kontakte eingeschränkt. Sie können sich nicht mehr treffen, nicht mehr austauschen. Da hängt ja viel mehr dran als nur das Lernen.“

Nach dem Elternverein der Innsbrucker HTL Anichstraße gehen nun auch andere Elternvereine wegen des dreiwöchigen Distance-Learnings für Oberstufenschüler auf die Barrikaden. Derartige Maßnahmen müssten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden, heißt es vom Elternverein des Bundesgymnasiums Sillgasse. Diese Entscheidung müsse außerdem offen und verständlich mitgeteilt werden. Bisher wisse man nur vom Wunsch des Landeshauptmanns.

Eltern fordern Rückkehr zu Ampelstatus Gelb

Die Eltern der Ferrarischule Innsbruck kritisieren, dass der Fernunterricht die Bildungsschere weiter aufreiße, soziale sowie psychische Folgeschäden produziere und Maturanten verunsichere. Schüler würden außerdem nicht zu den Superspreadern zählen. Die Elternvereine fordern die Offenlegung der Daten und Fakten für diese Entscheidung sowie die sofortige Rückkehr zu Ampelstatus Gelb.

Außerdem dürfe man sich auch fragen, warum seitens der Politik nicht zeitgerecht Maßnahmen für die Schulen erarbeitet wurden, so die Elternvertreter des Gymnasiusms Adolf-Pichler-Platz.

Offene Briefe der Elternvereine:

Gegen den Fernunterricht gehen am Montag auch Schülerinnen und Schüler auf die Straße. Sie demonstrieren seit 11.00 Uhr auf dem Landhausplatz, um zumindest teilweise wieder in die Schule gehen zu können.

Schülervertreter mit Forderungen

In einer Aussendung forderte die Schülerunion Tirol mehr Unterstützung im Bereich der Digitalisierung. So müsse jede Schülerin und jeder Schüler mit einem digitalen Endgerät ausgestattet sein. Zudem sollten an jeder Schule passende Programme – Lern-Apps und Kommunikationsplattformen – eingerichtet und zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollten alle Lehrkräfte eine fundierte Aus- und Weiterbildung im Bereich des digitalen Unterrichts bekommen, denn nur so könne das Distance-Learning reibungslos für alle ablaufen, so die Schülervertreter.

Distance-Learning gilt für alle Oberstufenschüler bis auf jene in den Bezirken Kitzbühel, Lienz und Reutte, die nach wie vor auf Gelb bzw. Grün geschaltet sind.

Deutlich mehr Klassen in Quarantäne

Vermehrt Sorgen bereitete den Verantwortlichen auch die Situation an den Schulen: Ende vergangener Woche befanden sich aufgrund von einem oder mehreren positiven Fällen 42 Schulklassen in Quarantäne, aktuell waren es 78. Knapp 2.000 Schüler und Schülerinnen sowie 174 Lehrkräfte waren in Quarantäne. Über das Wochenende habe es eine Zunahme von 60 aktiv positiven Personen gegeben, so Gappmaier.

SPÖ Tirol: „Steuern auf Chaos zu“

Benedikt Lentsch, Bildungssprecher der Tiroler SPÖ meinte, man steuere auf ein „landhausgesteuertes Chaos“ zu. Man habe es in den letzten Monaten verabsäumt, die digitalen Lehr- und Lernangebote auszubauen. Die Digi-Scheck-Initiative sei zwar vom Landtag beschlossen worden, aber zu wenig kommuniziert, so Lentsch. Auch hätte man sich besser auf eine gesicherte Betreuung der Kinder vorbereiten müssen, so die SPÖ. Denn ein Umstellen auf Distance Learning sei schon länger absehbar gewesen. Man müsse die Sorgen der Eltern und Kinder ernst nehmen, so die SPÖ.

NEOS: Von Bildungsdirektion „im Stich gelassen“

Massive Kritik bezüglich der Testungen gibt es seitens der NEOS Tirol, die von einem „Testchaos“ spricht. Die Schulleitungen würden von der Bildungsdirektion „im Stich gelassen“. Die Behörden seien überfordert und unvorbereitet, so NEOS-Klubchef Dominik Oberhofer. Es gehörte zielgerichteter und schneller getestet. Zudem müssten die Schulzeiten entzerrt werden, mehr öffentliche Verkehrsmittel eingesetzt, und eine Notrufnummer an der Bildungsdirektion installiert, meint NEOS.