Material der Schuldnerberatung
APA/BARBARA GINDL
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Wirtschaft

Heuer fast 40 Prozent weniger Pleiten

Die Zahl der Insolvenzen in Tirol ist auf einem historischen Tiefstand. Bis Ende September rechnet der Kreditschutzverband 1870 (KSV) mit 144 insolventen Unternehmen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang um 38,5 Prozent. Die Zahl der Privatinsolvenzen sank sogar um 39,8 Prozent.

Bereits vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie lagen die Insolvenzzahlen in Tirol auf einem sehr niedrigen Niveau, betonte der KSV. Dank der niedrigen Zinsen für Fremdkapital konnten sich angeschlagene Unternehmen jahrelang am Leben halten. Durch die wegen der Coronavirus-Pandemie beschlossenen Maßnahmen der öffentlichen Hand wird das Überleben dieser Unternehmen nun weiter verlängert.

Diese Maßnahmen seien zu Beginn der Krise notwendig und richtig gewesen, hieß es vom KSV. Nun stelle sich aber die Frage der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit. Denn die Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in das Jahr 2021 hinein verstärkt die Tendenz, dass Betriebe am Markt verbleiben, die aus volkswirtschaftlicher Sicht eigentlich ausscheiden sollten, so der KSV. Denn das Ausscheiden dieser Unternehmen schaffe Platz für neue, innovative Betriebe. Das bringe neuen Schwung in einen Sektor und dies wiederum stärke den Tiroler Wirtschaftsstandort in seiner Gesamtheit.

Die bisher größten Unternehemenspleiten in Tirol

CPH Gastronomie u. Betriebs GmbH Kufstein Euro 14.000.000
Stahl- und Metallbau Hörburger GmbH Roppen Euro 5.600.000
Winkler Steinmetz-Gesellschaftm.b.H. & Co KG Schwaz Euro 4,300.000
Consilio ZT GmbH Schwaz Euro 2.700.000

Gefahr für gesunde Unternehmen

"Die in Schieflage geratenen Unternehmen versuchen sich mit allen Mitteln am Markt zu behaupten. Es wird dann oft zu wirtschaftlich nicht mehr sinnvollen Preisen angeboten. Als Folge wird das gesamte Preisgefüge einer Branche zerstört. Darunter leiden die an sich gesunden Unternehmen, welche nunmehr ebenfalls aufgrund der fallenden Preise in ihrer Existenz gefährdet werden“, so Klaus Schaller vom KSV.

Für das Gesamtjahr rechnet der Kreditschutzverband mit einer sehr geringen Anzahl an Insolvenzen in Tirol, sogar ein historischer Tiefststand ist wahrscheinlich. Öffentlich-rechtliche Gläubiger, die normalerweise den überwiegenden Teil der Gläubigeranträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen, betreiben vorerst Anfang 2021 ihre Ansprüche nicht.

Auch Privatinsolvenzen auf extrem niedrigen Niveau

Auch bei den Privatinsolvenzen spricht die Statistik eine eindeutige Sprache. Nur 297 zahlungsunfähige Privatpersonen versuchten während der Coronavirus-Pandemie in Tirol eine Entschuldung am Bezirksgericht zu erreichen. Das waren somit heuer 196 Verfahren weniger als in den ersten neun Monaten des Vorjahres.

Diese Zahl spiegle jedoch die tatsächliche Lage der Tiroler Haushalte nicht richtig wider, so Klaus Schaller vom KSV. Die Tiroler Bevölkerung sei mit den Folgen einer gestiegenen Arbeitslosenquote und einer Einkommensreduktion aufgrund der weitverbreiteten Kurzarbeit konfrontiert.

Privatkonkurs befreit von Schuldenrucksack

Doch die Stellen, die insolventen Privatpersonen beratend zur Seite stehen, mussten wegen des Coronavirus-Lockdowns ihre Dienstleistung über Wochen nahezu einstellen. Auch über die Sommermonate mussten diese beratenden Stellen unter schwierigen Bedingungen ihre Dienstleistung erbringen. Daher sei es nicht verwunderlich, dass – über Monate hinweg – weniger Anträge auf Regulierung von privaten Verbindlichkeiten als in „normalen“ Zeiten bei den Bezirksgerichten einlangen, zog der KSV Bilanz.

„Es wäre wichtig, dass zahlungsunfähige Privatpersonen wieder vermehrt den Weg in die Schuldenregulierung gehen. Überwinden private Schuldner nach einer gewissen Zeit der wirtschaftlichen Anspannung ihre finanziell desaströse Situation, können sie ohne Schuldenrucksack neu durchstarten", so Klaus Schaller.

Da die aktuelle Entwicklung der Pandemie sowohl die Schuldner beratenden Stellen als auch die Gerichte in ihrer täglichen Arbeit behindert, rechnet der KSV auch für den Rest des Jahres mit deutlich weniger eröffneten Privatinsolvenzverfahren an den Bezirksgerichten als in anderen Jahren.