Wölfe
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Almsommer zeigt: Der Wolf bleibt in Tirol

Der diesjährige Almsommer in Tirol war geprägt von der dauerhaften Präsenz des Wolfes, den damit verbunden Problemen und einer Debatte, die längst die sachliche Ebene verlassen hat. Dieser Almsommer hat aber auch verdeutlicht, dass Tirol wird lernen müssen, mit dem Wolf zu leben.

Einst in Europa nahezu ausgerottet, ist der Wolf drauf und dran, seine einstigen Territorien wieder zurückzuerobern. Territorien, die in den letzten 150 Jahren der Mensch legitimerweise zunehmend genutzt und damit besetzt hat – in Tirol in erster Linie die Almwirtschaft, die Jagd und der Tourismus. Durch diverse Schutzprogramme, den hohen Schutzstatus durch die EU und die Anpassungsfähigkeit des Wolfes ist dieser große Beutegreifer auf Expansionskurs und macht logischerweise vor Staatsgrenzen keinen Halt. Das birgt Konfliktpotenzial, das sich gerade in Tirol im heurigen Almsommer erstmals richtig entladen hat.

Karte
Land Tirol
18-mal tauchte heuer ein Wolf in Tirol auf. Laut DNA-Analyse wurden insgesamt acht unterschiedliche Tiere nachgewiesen.

Sichtungen und Risse stark angestiegen

Laut Statistik des Landes Tirol wurde die Anwesenheit des Wolfes heuer 18-mal nachgewiesen – entweder in Form von Rissen oder durch Fotofallen. In sechs Fällen fehlt noch die Auswertung einer DNA-Analyse. Insgesamt wurden bis zum Ende des Almsommers rund 140 Schafe nachweislich von einem Wolf gerissen – so viele wie in den letzten zehn Jahren zusammen nicht. Genaue DNA-Auswertungen haben ergeben, dass für diese Risse insgesamt acht verschiedene Wölfe aus drei unterschiedlichen Populationen verantwortlich sind – mehr dazu in Acht Wölfe aus drei Populationen in Tirol.

Entschädigungzahlungen

Das Land Tirol und der Tiroler Jägerverband entschädigen Schafzüchter, deren Tiere von einem Wolf gerissen wurden. Heuer wurden bisher über 15.000 Euro dafür ausgegeben. Für ein Schaf, das im Zuchtbuch steht, werden knapp über 400 Euro ausbezahlt, für einen Zuchtwidder über 1.000 Euro.

Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Wolf wohl endgültig auch in Tirol angekommen ist. Eine Tatsache, die Experten und die Jägerschaft übrigens schon vor Jahren vorausgesagt haben, und sie wiesen auch immer wieder darauf hin, dass sich die Verantwortlichen darauf vorbereiten sollten.

Kann in Tirol nicht mehr ausgerottet werden

Derzeit ist eine Entnahme bzw. der Abschuss eines Wolfes in Tirol gesetzlich kaum möglich, es sei denn, er reißt überdurchschnittlich viele Nutztiere und/oder er nähert sich zu sehr dem Siedlungsraum. Ein sogenannter „Problemwolf“ könnte theoretisch geschossen werden, vorausgesetzt, man erwischt ihn. Doch auch die Entnahme so eines Wolfes löst die Problematik an sich überhaupt nicht, wie Dirk Ullrich – Wolfsexperte im Alpenzoo Innsbruck – im ORF-Interview erklärt.

Die Dichte an Wölfen in den unmittelbaren Nachbarländern Tirols nimmt zu, und es werden laufend neue Tiere auf Tiroler Boden nachdrängen, ist auch Tirols Landesjägermeister Anton Larcher überzeugt. Selbst bei einer intensiven Bejagung des Wolfes, die aus rechtlicher Sicht ohnedies unrealistisch ist, könnte der Wolf in Tirol nicht ausgerottet werden, betont er. „Aber wer den Wolf will, der muss ihn regulieren“, hofft Larcher auf eine Senkung des Schutzstatus für den Wolf in Tirol.

Land hofft auf Gleichberechtigungsklausel

Es gibt tatsächlich Länder in Europa, die sich im Zuge ihres EU-Beitritts eine erleichterte Entnahme des Wolfes ausverhandelt haben. Ausnahmen vom generellen Wolfsabschussverbot gelten für Polen, die Slowakei und Bulgarien sowie für bestimmte Regionen in Finnland, Spanien und Griechenland.

Weil innerhalb der EU gleiches Recht für alle gelten sollte, hofft das Land Tirol jetzt mit einer diesbezüglichen Klage bei der EU auf eine Senkung des Schutzstatus auch in Österreich, so der zuständige Landesrat Josef Geisler. Doch solche Klagen auf EU-Ebene können Jahre dauern und sind kurzfristig keine Lösung. Und selbst im Falle eines Erfolges könnte man den Wolf wohl im besten Fall regulieren, aber nie zur Gänze vertreiben.

Herdenschutz
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Besserer Herdenschutz ist mancherorts eine Möglichkeit, Nutztiere vor dem Wolf zu schützen, braucht aber zum Teil auch Jahre, bis er funktioniert

Bündel an Maßnahmen notwendig

Dabei sind die Argumente der Landwirte und zum Teil der Touristiker im Land nachvollziehbar. Ohne Gegenmaßnahmen ist die Almwirtschaft in der bestehenden Form mancherorts wohl nicht oder nur eingeschränkt möglich. Es wird ein Bündel an Maßnahmen brauchen, glaubt auch Geisler. Neben einer Regulierung des Wolfes soll weiter in verbesserten Herdenschutz investiert werden. Das Land Tirol hat für heuer und kommendes Jahr je 500.000 Euro dafür freigegeben.

Seitens des Jägerverbandes fordert man ein besseres Wolfsmanagement. Österreich habe es verabsäumt, sich rechtzeitig auf die Rückkehr des Wolfes vorzubereiten, so Landesjägermeister Larcher. Die Jägerschaft selbst habe wenig Interesse am Abschuss des Wolfes, sehr wohl aber große Bedenken, was die Auswirkungen auf die Jagd in Tirol betrifft. Denn wenn Wölfe die Hirschfütterungen heimsuchen, dann werde sich das scheue Rotwild noch mehr zurückziehen und eine Erfüllung der Abschussquote noch schwieriger, befürchtet Larcher.

Sachliche Diskussion notwendig

Sowohl Larcher wie auch Geisler plädieren einmal mehr für eine sachliche Wolfsdiskussion – sowohl vonseiten der Gegner wie auch der Befürworter. Einen wolfsfreien Alpenraum werde es nicht mehr geben, deshalb sei es notwendig, gemeinsam mit allen Beteiligten konstruktive Lösungen zu finden, sind sich beide einig.