Hintertuxer Gletscher
ORF Christiane Sprachmann
ORF Christiane Sprachmann
Wissenschaft

Geschärfter Blick auf das Ende der Eiszeit

Ein internationales Forscherteam unter Tiroler Beteiligung eröffnet einen präzisen Blick in das Ende der Eiszeit. Vor fast 13.000 Jahren wurde der Trend der Erwärmung durch eine neuerliche Abkühlung gestoppt und Gletscher breiteten sich wieder aus.

Diese Klimaverschlechterung wird von Fachleuten „Jüngere Dryaszeit“ genannt. Namensgeber ist die Weiße Silberwurz Dryas octopetala. Die hochalpine und arktische Pflanze war eigentlich schon auf dem Rückzug, durch die erneute Abkühlung siedelte sie wieder bis in die Täler. Die Gletscher der Ötztaler Alpen stießen damals bis zum Gebiet des heutigen Sölden vor.

Weiße Silberwurz Dryas octopetala
Lizenz:Gemeinfrei. Quelle: Wikimedia Commons
Die namensgebende Weiße Silberwurz

Die Daten zur Jüngeren Dryaszeit konnten bisher nur auf etwa 100 Jahre genau eingegrenzt werden. Einem internationalen Forscherteam, an dem auch der Innsbrucker Christoph Spötl vom Institut für Geologie der Uni Innsbruck beteiligt war, konnte die zeitliche Genauigkeit auf 20 bis 40 Jahre verbessern. Das heißt, die zeitliche Eingrenzung der Kaltzeit konnte drei Mal genauer als bis jetzt bestimmt werden. Geschafft haben dass die Forscher, indem sie auf zwei Datenquellen zurückgriffen: Einerseits auf Eisbohrkerne aus den Polregionen und auf Höhlenablagerungen aus verschiedenen Klimazonen der Erde.

Höhlenablagerungen archivieren das Klima

Höhlenablagerungen schließen bei ihrer Entstehung Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, aber auch Spuren von Uran ein und zeichnen somit die Klima- und Umweltbedingungen über viele tausende Jahre auf. An der Xi’an Jiaotong University in China erfolgte die Altersbestimmung, am Institut für Geologie der Uni Innsbruck wurden die Klimaspuren im Probenmaterial aus einigen der Höhlen analysiert: Dazu wurden in mehr als 5100 Proben die Sauerstoffisotopenwerte in hoher Auflösung bestimmt. „Mit dieser Vorgehensweise konnten wir die zeitliche Genauigkeit auf 20 bis 40 Jahre verbessern“, erklärt Christoph Spötl.

Höhlenforscher in einer Höhle
Jaume Mas
Die analysierten Proben stammen aus aller Welt, wie etwa aus der Seso Höhle in Spanien

Die Forscher konnten auch bestimmen, wo diese Abkühlung ihren Ausgang nahm und von wo aus sie zu Ende ging. Die Daten zeigen eine beginnende Abkühlung vor 12.870 Jahren im Nordatlantik mit einer Schwankungsbreite von 30 Jahren. Während sich die Abkühlung von Nord nach Süd ausbreitete, war es bei der Erwärmung umgekehrt. 1.200 Jahre später wurde die Kältephase von der südlichen Erdhalbkugel ausgehend beendet.

Meteoriteneinschlag als Ursache ausgeschlossen

Im Jahr 2007 stellten Wissenschafter die These auf, der abrupte Beginn der Jüngeren Dryaszeit könnte durch einen Meteoriteneinschlag verursacht worden sein. Die neuen Daten zeigen nun, dass dem nicht so sein dürfte. Während der Beginn der Abkühlung vor 12.870 datiert werden konnte, wird der Meteoriteneinschlag vor 12.820 datiert, also 50 Jahre später. Laut Spötl lässt sich zudem in Grönland zum Zeitpunkt des Einschlags keine starke Klimaveränderung nachweisen. Die Jüngere Dryaszeit ist an sich kein Einzelereignis: In den letzten 115.000 Jahren gab es 25 solcher extremer Klimaphasen.